Die verschollene Flotte: Ein halber Sieg: Roman (German Edition)
habe ich nicht.«
Desjani runzelte die Stirn. »Wenn Sie wollen, kann ich die Aufzeichnungen des Komm-Systems aufrufen. Vielleicht haben Sie die Taste im Schlaf betätigt, aber auf jeden Fall haben Sie mich gerufen.«
Zerknirscht schaute er auf die Tasten vor dem Bildschirm an seinem Bett. Er könnte tatsächlich versehentlich die Taste berührt haben, die ihn direkt mit Tanya verband, vor allem weil dies die vorderste Taste war. Wenn er im Schlaf mit den Armen gefuchtelt hatte, dann war das durchaus möglich. »Tut mir leid, das war keine Absicht.«
Anstatt abzuschalten, betrachtete sie ihn: »Sie sehen aus wie durch die Mangel gedreht.«
»Besten Dank.«
»Albtraum?«
»Ja.«
Sie wartete einfach ab und sah ihn so geduldig an wie eine Katze, die vor einem Mauseloch darauf lauerte, dass die Beute zum Vorschein kam, und die bereit war, notfalls auch die ganze Nacht darauf zu warten.
»Es gab einen Kampf«, sagte er. »Weiter nichts. Das Übliche eben.«
»Das Übliche?« Tanya seufzte. »Sie sind nicht der Einzige, der Rückblenden erlebt. Außerdem weiß ich von den Albträumen wegen der Merlon , schon vergessen? Damit haben Sie mich einmal während unserer Flitterwochen aus dem Schlaf gerissen. Ging es wieder um die letzten Momente an Bord der Merlon? «
Er hätte es bejahen und das Gespräch beenden können, aber sie hätte wahrscheinlich gewusst, dass er ihr etwas vormachte. »Zum Teil. Es war auch noch anderes mit dabei.« Und wieder wartete sie. »Ich habe manchmal diese Träume. Ich stehe auf der Brücke der Dauntless oder der Merlon , und ich befehlige eine Flotte. Einen einzigen, winzigen Moment bin ich unaufmerksam, und dann ist auf einmal der Feind da, genau über uns. Ein hoffnungslos übermächtiger Feind. Ich gebe Befehle aus, aber die kommen zu spät und sind alle falsch. Ringsum werden meine Schiffe zerstört, und das Schiff, auf dem ich mich befinde, wird schwer getroffen. Mir ist bewusst, das ist das Ende, weil ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn ein Schiff verloren ist. Und alles ist allein meine Schuld.«
»Also gut«, sagte Tanya. »Das kenne ich alles, nur dass ich nie eine Flotte befehligt habe. Haben Sie sich einer Stresstherapie unterzogen?«
»M-hm.« Allein, dass er mit ihr reden konnte, machte es ihm etwas leichter, auch wenn er wieder von den Bildern von Zerstörung und Verwüstung aus seinem Albtraum heimgesucht wurde. »Sie helfen einem, es besser zu ertragen, aber sie lassen es nicht verschwinden.«
Sie lachte leise und verbittert. »Meinen Sie, das wüsste ich nicht? Ich kämpfe schon länger als Sie, Matrose.«
»Ich hatte gehofft, dass man bei einem Jahrhundert Krieg bessere Behandlungsmethoden entwickelt hätte.«
»Sollte man meinen, schließlich konnten sie an genügend Versuchskaninchen herumexperimentieren«, antwortete Desjani von rabenschwarzem Humor erfüllt. »Aber es ist nicht so. Menschen sind kompliziert. Wenn in unserem Kopf etwas verkehrt läuft, dann lässt sich der Urzustand nicht so leicht wiederherstellen. Heute helfen uns die Ärzte gleich wieder weiterzumachen, obwohl wir eigentlich gar nicht mehr funktionieren dürften. Aber diese Ärzte sind auch nur Menschen, keine Götter. Stress und Traumata sind zwei der niemals endenden Freuden beim Militär, so wie schlechtes Essen, zu wenig Schlaf und miserable Unterkünfte. Und wir sind eine Ewigkeit von unseren Familien getrennt.«
Er lächelte flüchtig. »Bei so vielen Freuden muss man sich fragen, warum sie uns überhaupt noch Sold zahlen müssen.«
»Ja, das ist wirklich erstaunlich. Und? Fühlen Sie sich jetzt besser?«
»Ja.«
»Lügner. Was bedrückt Sie noch?«
Mit einer Hand fuhr er sich durchs Haar. »In diesem Albtraum sah ich … da sah ich dich sterben, Tanya. Ich schwöre, ich habe keine Ahnung, was ich tun würde, wenn …«
»Wenn ich sterben sollte?« Sie sprach es schroff und direkt aus. »Wenn das passiert, wirst du dich zusammenreißen, deine Pflicht tun und dein Leben weiterleben.«
Er starrte sie an. »Meinst du wirklich, es wäre so einfach?«
»Nein, aber darum geht es nicht. Glaubst du, ich möchte einen am Boden zerstörten, gebrochenen Mann hinterlassen? ›Oh ja, das ist Black Jack. Früher war er mal ein Held, bevor sie gestorben ist und ihn zerstört hat.‹ Oh ja, so sollen doch bitte alle über mich denken, wenn ich nicht mehr da bin.«
»Tanya …«
»Nein«, unterbrach sie ihn erneut. »Das ist nicht verhandelbar. Sollte es dazu kommen, dann wirst du den Rest
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