Die verschollene Flotte: Ein halber Sieg: Roman (German Edition)
unberechenbar.«
»Tja«, meinte Desjani. »Die Syndiks haben ihn gefoltert. Es gibt immer Mittel und Wege, das zu tun, ohne dass bewusste Erinnerungen oder körperliche Spuren zurückbleiben, wie Sie wissen.«
Er blieb stehen und sah sie an, da ihm nun endlich klar wurde, was Rione angedeutet hatte. »Lieutenant Iger hat mir gesagt, dass wir nie so tief gesunken sind, Folter anzuwenden, auch wenn er zugeben musste, dass das zum Teil eine pragmatische Entscheidung war. Folter bringt keine brauchbaren Informationen hervor. Die Syndiks müssen auch zu dieser Einsicht gelangt sein.«
Desjani biss sich auf die Lippe, ehe sie erwiderte: »Was Sie, Lieutenant Iger und die Flottenärzte dabei nicht berücksichtigen, ist die Tatsache, dass es manchen Menschen gar nicht darum geht, durch Folter brauchbare Informationen zu erlangen. Sie foltern, weil es ihnen gefällt oder weil sie glauben, jemand verdiene eine Strafe.« Sie musste Gearys Gesicht seine Reaktion angesehen haben. »Ich glaube nicht, dass die Allianz das jemals erlaubt hat. Soweit mir bekannt ist, haben wir Verhörpersonal immer gründlich durchleuchtet, um solche Neigungen auszuschließen. Aber glauben Sie ernsthaft, die Syndiks hätten die gleiche Sorgfalt walten lassen?«
Er war einigen Syndiks begegnet, die auf ihn nicht den Eindruck gemacht hatten, dass sie schreckliche Menschen waren. Manche waren ihm sogar regelrecht anständig und verantwortungsvoll erschienen. Aber andere, vor allem hochrangige Führer, wiederum hatten auf ihn gewirkt, als ob sie keinerlei Moral besaßen. »Ich werde den Ärzten sagen, sie sollen von dieser Annahme ausgehen und dann entscheiden, was sie tun können.«
»Es ist viel leichter, Menschen zu brechen anstatt sie zu heilen«, erwiderte Desjani leise. »Nur damit Sie es wissen: Ich wünschte, das wäre ihm nicht widerfahren. Und auch niemandem sonst.«
»Daran habe ich nie gezweifelt. Ich weiß, Commander Benan steht unter medizinischer Beobachtung. Aber haben Sie auch Leute abgestellt, die ihn im Auge behalten?«
»Rund um die Uhr.« Sie ließ eine kurze Pause folgen. »Sie haben den Befehl, ihn aufzuhalten, sobald er sich irgendwie falsch verhält. Ich suche nicht nach Gründen, um ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen. Ich will nur vermeiden, dass mein Schiff beschädigt wird.«
»Gut.« Sie hatten die Luke zu seinem Quartier erreicht. »Mein Gefühl sagt mir, dass ich wohl noch einmal mit ihm reden muss.«
»Das wäre keine gute Idee, Admiral.«
»Nur ich mit ihm allein«, ergänzte er. »Um herauszufinden, was er sagt, wenn wir allein sind.«
Mit bemerkenswert ruhiger Stimme sagte sie: »Bei allem Respekt, aber das wäre eine sehr dumme Idee, Admiral.«
»Ich werde es Sie wissen lassen, bevor ich es versuche. Passieren wird das ohnehin erst, nachdem wir einen Weg gefunden haben, wie wir mit den Bärkühen verfahren werden.«
»Das beruhigt mich ja ungemein.« Desjani schüttelte ungläubig den Kopf. »Die lebenden Sterne müssen Ihnen tatsächlich den Weg weisen. Kein Mensch würde es für eine gute Idee halten, sich auf ein Gespräch unter vier Augen mit dem Mann einzulassen, mit dessen Frau er geschlafen hat.«
Sie sprach nur selten so direkt die Dinge an, die sich zwischen ihm und Rione abgespielt hatten, bevor bekannt geworden war, dass Riones Ehemann doch noch lebte. Und bevor er und Desjani sich zu ihren Gefühlen füreinander bekannt hatten. Dass Desjani es jetzt tat, zeigte ihm, wie sehr sie sich über sein Vorhaben aufregte.
»Ich verspreche Ihnen, wir beide werden darüber noch einmal diskutieren, bevor ich mich mit Commander Benan unterhalte. Jetzt werde ich dieses Problem erst einmal vergessen und mir überlegen, wie wir dieses Sternensystem verlassen können.«
»Danke.« Sie lächelte ihn ein wenig ironisch an. »Immer schön eine Krise nach der anderen.«
»Das wäre eine feine Sache«, sagte er und benutzte die gleiche Formulierung wie zuvor bei Rione. Sie passte zwar auch hier, aber es war schon besser, wenn Tanya nicht wusste, dass er nur etwas wiederholte.
Schweigend stand er da, nachdem sich die Luke hinter ihm geschlossen hatte; allein in seinem Quartier, das früher einmal Admiral Bloch gehört hatte, bevor die Syndiks ihn während einer »Unterredung« getötet hatten. Sein Quartier, das seitdem Gearys einziges Zuhause war. Was, wenn Tanya in die Gefangenschaft der Syndiks geraten wäre, als der Krieg noch getobt hatte?
Was, wenn sie jetzt in die Überreste der versprengten Gruppen
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