Die Verschwörung des Bösen
erkennen und zu verstehen, wie sie den Einklang des Universums herstellen. Dass sich die einzelnen Teile des Ganzen zusammenfügen, liegt daran, dass Osiris rein und makellos bleibt, weil er sich weder in die Unordnung noch in das Elend einmischt, die die Menschen hervorrufen. Seine Mysterien wandeln sich weder im Scheinbaren noch im Sichtbaren.«
Iker hätte den König am liebsten stundenlang ausgefragt, aber weil jetzt die Zeremonie begann, wurde nicht mehr gesprochen.
Unterstützt von den Priesterinnen der Hathor hob die Königin verschiedene Gesteinsarten der Sonne entgegen, danach stellte sie eine goldene Barke auf einen Altar. An ihrem Bug stand Useret, die Mächtige, die dank ihrer vier Gesichter die Finsternis besiegen konnte.
Eine Priesterin begrüßte die Wiedergeburt des Lichts, die die Verehrungswürdige in der Barke der unzähligen
Offenbarungen Wirklichkeit werden ließ. In diese Barke wurde nun auch eine goldene Scheibe gelegt, die weibliche Sonne, die auch die Gestalt der Uräus-Schlange annehmen kann, der weiblichen Kobra, die ihr Feuer verschleudert, um den Weg für den Pharao freizumachen.
Doch Iker hörte den Gesängen schon längst nicht mehr zu, und er kümmerte sich auch nicht um die Ritualhandlungen. Er hatte nur noch Augen für die junge Priesterin, die sich in der Nähe der Königin aufhielt.
Das war sie.
Sie, die junge Frau, die er in seinen Gedanken und Träumen immer vor sich sah und in die er hoffnungslos verliebt war. Er beobachtete jede ihrer Bewegungen und jeden ihrer Schritte, in der Hoffnung, ihre Blicke könnten sich wenigstens für einen kurzen Moment begegnen. Aber sie widmete sich ganz ihrer Aufgabe, und die schrecklich kurze Zeremonie war gleich zu Ende.
Plötzlich hatte Iker einen Hoffnungsschimmer: Jetzt war er ja kein beliebiger kleiner Schreiber aus der Provinz mehr, sondern der von Sesostris angenommene Sohn und konnte sie ansprechen.
Aber seine Begeisterung schwand gleich wieder. Alles, was er ihr sagen konnte, würde lächerlich, abgeschmackt und langweilig klingen. Und wenn er sich zu leidenschaftlich zeigte, würde sie ihn nur abweisen.
Die ernste Stimme des Königs riss ihn aus seinen quälenden Gedanken: »Hast du den ganzen Sinn dieses wichtigen Rituals begriffen?«
»Ich fürchte nein, Majestät.«
»Rede keinen Unsinn, sonst werde ich dich nichts mehr lehren. Du solltest aber wissen, dass ich dich erst stärken musste, ehe ich dich mit deinem Auftrag losschicken kann. Das Strahlen der goldenen Scheibe und das Uräusfeuer haben deinen Körper und deinen Geist durchdrungen.«
»Majestät, kennt Ihr die junge Priesterin, die der Königin zur Seite stand?«
»Sie hält sich für gewöhnlich in Abydos auf.«
»Und wie heißt sie?«
»Diese junge Frau trägt den berühmten Namen der Gattin des Osiris, Isis, und hat ihr Leben dem Tempel und seinen Mysterien verschrieben.«
Was der König da sagte, stürzte Iker in tiefe Verzweiflung: Die schöne Isis war und blieb also unerreichbar.
Zu Sekaris herausragenden Wesensmerkmalen gehörte seine Hartnäckigkeit, und zwar besonders, wenn es darum ging, die Wahrheit ans Licht zu bringen, umso mehr wenn sich mit ihrer Hilfe die Unschuld eines Menschen beweisen ließ. Trotzdem waren Sobeks Zukunftsaussichten ziemlich düster. Sekari hielt sich an eine einfache Überlegung: Wem es gelungen war, Sobek in den Dreck zu ziehen, der würde darauf nicht wenig stolz sein und dies auch mehr oder weniger lauthals von sich geben.
Die Sache schien verzwickt zu sein, weshalb der geheime Gehilfe des Pharaos den Wesir bat, ihm die Aufzeichnungen von allen, auch noch so unbedeutenden Zwischenfällen zu geben, die seit der Anklage gegen Sobek verhandelt worden waren.
Angesichts der gewaltigen Menge an entsprechenden Unterlagen musste Sekari klein beigeben. Er holte sich Unterstützung bei zwei Schreibern, die in der Lage waren, die Schriftstücke nach der Schwere der Vergehen zu ordnen: Rangeleien in Gasthäusern, Diebstahl auf dem Markt, Ehestreitigkeiten, Anfechtung von Gemarkungsgrenzen…
Sekari begann seine Untersuchung mit den beiden schlimmsten Fällen: einem Mord in Memphis und zwei unrechtmäßigen Einwanderern, die beim Versuch, die nordöstliche Grenze zu überqueren, getötet worden waren.
Der Mord war das Ergebnis eines heftigen Streits zwischen zwei Vettern, bei dem es um den Besitzanspruch auf eine dreihundert Jahre alte Palme ging. Der bessere Kämpfer hatte dem anderen mit einem Knüppel den Schädel
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