Die Verschwörung des Bösen
habt immer alles über mich gewusst, Majestät? Meine Sehnsüchte, meine Ängste und meine Hoffnungen. Das ist doch die Wahrheit, oder nicht?«
»Mach dir einen schönen Nachmittag in diesem Garten, mein Sohn. Und komme möglichst schnell wieder«, sagte der Pharao nur. Damit verschwand er und ließ einen verwirrten Iker zurück.
Noch nie zuvor hatte ihn der König »mein Sohn« genannt. Diese beiden an sich belanglosen Worte hatten für Iker plötzlich einen herrlichen Klang. Eine neue Welt tat sich ihm auf, eine Welt, in der er sich nicht für sich selbst schlagen musste, sondern für seinen Vater, den Pharao von Ägypten. Auch wenn der Garten wirklich zauberhaft war, verspürte Iker doch wenig Lust, dort müßig vor sich hin zu träumen. Er musste packen und nach einer möglichst genauen Karte für das Fayum suchen, auf der die heiligen Kultstätten eingezeichnet waren.
Als er gerade den friedlichen Ort verlassen wollte, erhob sich ein laues Lüftchen aus dem Süden, das so angenehm und wohltuend war, dass der junge Mann noch einmal stehen blieb, um es zu genießen.
Auf einmal hatte er eine Sinnestäuschung – er sah sie vor sich, sie!
In diesem Südwind, den sie schon einmal bei einem Ritual zur Bitte um stärkendes Wasser und Lebenskraft dargestellt hatte, kam sie auf ihn zu. Um die Stirn trug sie ein zierliches goldenes Band mit blauen und weißen Lotosblüten, die golden leuchteten.
Wie hätte man ihre nahezu übernatürliche Schönheit beschreiben sollen?
Iker schloß die Augen und öffnete sie wieder.
Isis war noch immer da, jetzt ein wenig näher bei ihm.
»Ich fürchte, ich komme ungelegen«, sagte sie mit einer derart bezaubernden Stimme, dass Iker anfing zu stottern.
»Nein, nein…Überhaupt nicht! Ich… ich habe nur ein wenig nachgedacht.«
»Ich liebe diesen Granatapfelbaum«, sagte Isis und deutete auf den ältesten Baum im Garten. »Er blüht das ganze Jahr über und übertrifft alle anderen an Schönheit. Sobald sich eine Blüte schließt, öffnet sich eine neue.«
»Bei der Akazie von Osiris ist das leider nicht der Fall.«
Die junge Priesterin machte ein besorgtes Gesicht. »Wenn ich mein Leben geben müsste, um sie zu retten, ich würde nicht zögern.«
»Der König hat mir einen gefährlichen Auftrag anvertraut: Ich soll ins Fayum reisen, den Aufstand dort ersticken und ein Heilmittel für den Lebensbaum holen.«
»Einen Ast der Akazie von Neith?«
»Ja. Dann wisst Ihr also Bescheid?«, fragte Iker erstaunt.
»Ich musste in den Schriftkammern von Abydos nach einem Heilmittel forschen. Wenn es diesen Baum einmal gegeben haben sollte, muss er schon lange gestorben sein.«
»Wenn er aber doch noch lebt, werde ich ihn finden!«
Diese Begeisterung brachte sie zum Lächeln.
Isis durfte er nichts verheimlichen.
»Ich wollte Sesostris töten«, gestand er ihr, »weil ich ihn für einen Unterdrücker und den Urheber meines ganzen Unglücks hielt.«
In wenigen, kurzen Sätzen schilderte er ihr seine Erlebnisse und all seinen Kummer.
»Der Pharao hat Euch als Sohn angenommen«, sagte Isis,
»also hält er Euch für anständig und aufrichtig.«
»Und Ihr, verzeiht Ihr mir meine Irrtümer?«
Kaum hatte Iker diese unpassende Frage ausgesprochen, als ihm auch schon klar wurde, dass er damit einen womöglich nicht wieder gutzumachenden Fehler begangen hatte. Aber Isis musste wieder lächeln.
»Sesostris hat sein Urteil gefällt. Weshalb sollte meines anders ausfallen? Eure Aufrichtigkeit rührt mich. Da Ihr so eine hochrangige Stellung inne habt, ehrt sie mich auch.«
»Ich bin nur ein Schreiber aus Medamud«, widersprach Iker.
»Ihr seid der Königliche Sohn, und Ihr verdient meine Ehrerbietung.«
Iker fühlte sich wie versteinert und nicht in der Lage, die richtigen Worte zu finden, um ihr seine Gefühle zu offenbaren und ihr zu gestehen, dass sie, und nur sie, ihn schon so oft gerettet hatte.
»Kehrt Ihr bald nach Abydos zurück?«
»Ja, schon morgen.«
»Das ist ein ganz besonderer Ort.«
»Darüber darf ich nicht sprechen. Ich wollte schon immer dort leben, so nahe wie möglich an unserer geistigen Quelle.«
»Kommt Ihr… Kommt Ihr wieder nach Memphis?«
»Ich unterstehe den Befehlen des Pharaos und unseres Oberpriesters.«
Ganz kurz glaubte er in ihrem Blick eine Spur von Verständnis zu entdecken für das, was er ihr vergebens mitzuteilen versuchte. Aber sie würde weggehen und aus seinem Blickfeld verschwinden. Wie konnte er sie nur aufhalten?
»Könnt Ihr mir
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