Die Verschwörung des Bösen
ausgezeichneter Stadtführer, und auch Iker kannte sich inzwischen in Memphis aus. Er hatte das Hafenviertel und den Stadtkern durchstreift, die Vororte im Norden und Süden besichtigt und die Tempel von Hathor, Ptah und Neith bestaunt. Schließlich war er durch Ankhtaouy gegangen, das
»Leben der Zwei Länder« mit seinen Heiligtümern, die zur Erinnerung an die verstorbenen Pharaonen auf den Kanälen schwammen, war an der alten Festung mit ihren weißen Mauern entlanggelaufen und hatte in den besten Gasthäusern gespeist – auf Kosten seines Gastgebers, für den und für dessen Verwandtschaft er Behördenbriefe geschrieben hatte. Mehrere Male hatten der Schreiber und sein Führer den Palast, der von einem starken Aufgebot an Truppen bewacht wurde, von weitem betrachtet.
»Befürchtet der Pharao einen Anschlag auf sich?«, fragte Iker.
»Das wiedervereinte Ägypten erfreut sich zwar eines gesicherten Friedens, doch das gefällt nicht allen. Die Familien der ehemaligen Provinzfürsten mögen unseren Herrscher nicht besonders. Wegen ihm haben sie eine Vielzahl ihrer früheren Vorrechte verloren. Wesir Chnum-Hotep stopft ihnen das Maul, und das Volk ist ihm gewogen! Ein König wie Sesostris ist ein Segen für das Land.«
Iker begriff, dass er auch nicht das kleinste Misstrauen gegenüber dem Gewaltherrscher üben durfte, weil der alte Mann zum Heer derer gehörte, die er in seinen Bann geschlagen hatte.
»Für den obersten Sicherheitsbeamten muss das eine höchst belastende Aufgabe sein«, meinte Iker.
»Alle glauben das, mein Junge! Aber Sobek hat breite Schultern. Wenn du vor ihm stehst, gibst du gerne alles zu, sogar Taten, die du gar nicht verbrochen hast. Und solange der Pharao unter seinem Schutz steht, hat er nichts zu befürchten. Aber jetzt bin ich durstig, du auch?«
Der Alte verfügte über ein erstaunliches Fassungsvermögen, wobei Iker kaum mithalten konnte. Und da ihn der Alkohol weitschweifig machte, kannte er sich dank seiner Hilfe bald noch besser in Memphis aus.
Jede Nacht tauchten die gleichen Erinnerungen in seinen Träumen auf: Der Mast von Gefährte des Windes, an den er gefesselt war, der Schiffbruch, die Insel des ka, die Schlange, die von ihm wissen wollte, ob er seine Welt retten könne, das sagenhafte Land Punt, der falsche Wachmann, der ihn töten sollte, sein alter Lehrer, der ihm von einem undurchsichtigen Schicksal schrieb und sie, die strahlend schöne und so unnahbare junge Priesterin!
Mit einem Satz fuhr er aus dem Schlaf und griff sofort nach dem Dolch.
Er jedenfalls kannte sein Schicksal.
»Warum isst du heute Morgen nichts?«, fragte ihn der Alte, der wie immer Appetit hatte. »Ein gutes Frühstück ist wichtig.«
»Entschuldigt bitte, aber ich habe keinen Hunger.«
»Schmeckt dir mein Essen nicht?«
»Doch, es ist ausgezeichnet, aber mein Magen ist wie zugeschnürt.«
»Ich glaube, ich weiß warum, Iker. Mit deiner neuen Stelle lassen sie sich ganz schön Zeit, habe ich Recht?«
Das Schweigen des jungen Mannes sprach für sich. »Mach dir deshalb nicht allzu viele Sorgen, die Verwaltung arbeitet eben ein bisschen langsam. Und mit den Briefen, die du hier für die Leute aus dem Viertel schreibst, hast du ein anständiges Einkommen. Aber sag mal ehrlich… Worauf hoffst du in Wirklichkeit?«
Mit dieser Frage hatte Iker schon lange gerechnet. »Ich bin nicht nur Schreiber, sondern auch zeitweiliger Priester, weshalb ich mich auch im Tempel vorstellen muss«, sagte er.
»Ach so, ich verstehe! Du bist ein wichtiger Mann und hältst mich für einen unbedeutenden Niemand.«
»Nein, ganz im Gegenteil, ich weiß gar nicht, wie ich dir für deine Gastfreundschaft danken soll.«
»Du hast mich vor hohen Abgaben gerettet, das ist von unschätzbarem Wert! Dank deiner Briefe kann ich jetzt meinen Lebensabend genießen. Dass du deine Fähigkeiten zu meinen Gunsten eingesetzt hast, war für mich ein unverhofftes Glück. Aber ich weiß natürlich, dass das nicht ewig so weitergehen wird.«
Iker meldete sich im Ptah-Tempel, der von zahlreichen Verwaltungsgebäuden, Werkstätten, Lagerhäusern und Bibliotheken umgeben war. Der Aufseher führte ihn zum Tempelherrn.
Iker hatte beschlossen, mit offenen Karten zu spielen.
»Wie heißt du?«
»Iker.«
»Dein Beruf?«
»Schreiber und zeitweiliger Priester des Anubis-Tempels in Kahun.«
»Nicht schlecht… Und was wünschst du?«
»Nachdem ich den Beruf des Bibliothekars erlernt habe, würde ich jetzt gern noch meine Ausbildung
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