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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Kuppeln der Stadt tanzten.
    Er sah unten die Menschen zu den Morgengebeten gehen, die Händler zum Markt fahren und die Frauen ihre Einkaufskörbe schultern. Der Duft frisch gebackenen Brotes erinnerte ihn an die kleinen alltäglichen Freuden und die einfachen Aufgaben, die er zu lösen hatte.
    Nein, hier galt es keine Schlachten zu gewinnen. Und er vergaß die unguten Gedanken an sich drohend zusammenbrauende Dinge über seinem Kopf, die ihn am Vortag überfallen hatten, und ging frohgemut in die Schule hinüber.
    Dort wartete Theophil schon ungeduldig auf ihn. Er machte ein sorgenvolles Gesicht, aber als Henri eintrat, wies er ihm munter seinen Platz zu und sagte, sie sollten anfangen. Und das taten sie sogleich. Denn Henri war begieriger als je zuvor, weiter in die Geheimnisse der Kabbala einzudringen.
     
     
    »Ich wollte dich etwas fragen, Theophil.«
    »Nur zu.«
    »Mein Gefährte Joshua ben Shimon sagte mir einmal, Zahlen seien für einen jüdischen Mystiker Ausdrücke für Einzelaspekte des Anfangs, des Ur-Einen. Also von Gott. Zahlen seien Sphären dieses Ur-Einen, und wir versuchen, damit etwas zu erkennen, was eigentlich unerkennbar ist. Hat er Recht?«
    Theophil nickte bedächtig. »Joshua ben Shimon ist, wie ich schon sagte, ein bedeutender Zahlenmystiker. Man kennt ihn überall, in Speyer ebenso wie in Toledo. Er kennt die Macht der Zahlen und Buchstaben.«
    Henri seufzte. »Wenn er nur schon hier wäre! Ich möchte ihn umarmen!«
    »Die fünfte Lektion! Oder willst du deine Liebe nicht auch über deinen Verstand ausgießen?«
    »Ihr seid mein Lehrer!«
    »Worum geht es den Kabbalisten? Nicht um Zahlenspielereien, wie sie die Gaukler auf den Jahrmärkten aufführen mögen. Es geht um den vollkommenen Menschen. Kannst du diesen Zusammenhang erkennen, Scholar?«
    »Ich versuche es.«
    »Das ist schon mehr, als die meisten tun! Höre weiter! Was verbindet die Vorstellung vom vollkommenen Menschen mit dem kleinsten Buchstaben oder Zahlzeichen? Alles! Ich gebe dir ein Beispiel, Scholar! Als der Christ Monoimos, der Araber, ein Mystiker des zweiten Jahrhunderts nach der Zerstörung des Tempels, gefragt wurde, wie er zur Erleuchtung kam, antwortete er: Ich betrachtete den kleinsten Buchstaben unseres Alphabets, es ist der Jota. Gleichzeitig ist der Jota das Zahlzeichen Zehn. Es ist nur ein einfacher Strich. Und was bedeutet das? Dieses Jota ist nicht zusammengesetzt. Es ist vollkommen! Eine reine Einzigkeit! Und als Zahlzeichen Zehn ist das Jota der Abschluss einer Reihe von Emanationen.«
    »Und auch der Abschluss der Reihe arabischer Zahlen, das weiß ich von meinem Sarazenen.«
    »Und wenn du die Null der Zehn auslöschst, was erhältst du dann?«
    »Eins. Die Einzigkeit.«
    »Den Anfang von Ideen und Zahlen. Das Ur-Eine. Gott!«
    »Wir Christen kannten im Abendland die Null als Zahl nicht. Sie ist eine Erfindung der Araber.«
    »Siehst du! Und doch ist sie da. Sie ist der verborgene Sinn von Zehn. Denn sie bezeichnet gleichzeitig den Beginn vor dem Beginn! Den Anfang vor der Eins. Also den Moment in der Schöpfungsgeschichte, als Gott beschloss, dass er seine Liebe ausschütten wolle. Als er beschloss, dass es Licht werde und der Mensch erscheine.«
    »Mein Gott! Wer soll das verstehen!«
    »Du verstehst es nicht?«
    »Nein!«
    »Dann hast du die fünfte Lektion begriffen, mein Sohn!«
     
     
    »Was ist der vollkommene Mensch? Es ist der voll erwachte Mensch! Der Mensch, der verstanden hat.«
    »Du meinst, jemand, der erleuchtet ist, also die Gnosis besitzt?«
    »Das genau ist die Vorbereitung auf unsere sechste Sitzung heute, mein Sohn. Es ist die Schwellensitzung, mit der du die Hälfte der Lektionen angehört hast und dich auf den Abschluss des Verständnisses zu bewegen kannst. Wenn du erkennen willst, musst du dich selbst erkennen. Du begreifst das Wesen Gottes niemals, wenn du nicht weißt, wer du selbst bist und welche Ziele du dir auf Erden setzt.«
    »Ich kenne meine Ziele. Ich will meine Feinde besiegen.«
    »Das genügt nicht. Das allein ist noch kein Ziel. Es ist ein Instinkt. Ein Ziel ergibt sich nicht einfach durch den Willen, es ergibt sich aus der Summe der vorausgegangenen Vorgänge. Gib also heute besonders Acht!«
    »Ich will meine Feinde besiegen!«
    »Höre weiter! Ich sagte schon, dass die Kabbala keine Spielerei ist. Sie setzt die Anerkennung einer Unendlichkeit voraus, die vor allem Anfang war und nach allem Ende sein wird. Sie ist der Veränderung unterworfen und gleicht doch

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