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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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himmlische Urbild sich ihnen verwandelt und sogar von ihnen weicht, und die bewirkt, dass die Menschenkinder andere Wesen fürchten können. Denn erst, wenn die Menschenkinder der Sünde verfallen, können die wilden Tiere über sie Herrschaft gewinnen, dieweil sie das göttliche Urbild nicht mehr an ihnen schauen.«
    »So wäre Gottes Ebenbild auch in der Schlange?«, wunderte sich Henri aufgewühlt. »Es war doch der Versucher, der Teufel!«
    »Die siebente Lektion«, erklärte Theophil ruhig, »ist die Endstufe der Vorbereitung. Wenn du sie verstanden hast, wirst du selbst voll erwacht sein.«
    »Aber du kannst doch nicht sagen, dass der Teufel Gottes Ebenbild ist. Ich habe sogar gehört, dass es Juden gibt, die die Schlange mit Jesus, dem Messias und unserem Erlöser, gleichsetzen.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich weiß es eben.«
    »Nein, du weißt es nicht. Du hast es vielleicht gehört. Aber Nichtbegreifen ist ebenso schädlich wie Vermutungen anzustellen über etwas, das man gehört hat von jemandem, der es von jemandem gehört hat. So weit die Antwort auf deine unkundige Frage. In der Tat aber hast du Recht! Denn die Wörter für die Schlange, Nachosh, und für den Messias, der noch kommen möge, Meschiah, bilden nach dem hebräischen Alphabet beide den Zahlenwert dreihundertachtundfünfzig. Wenn wir diese Zahl auf eine Quersumme unter zehn zurückführen, ergibt es sieben – die letzte Station der Schlange, die aufgerollt wird und den Menschen zu höherem Bewusstsein führt.«
    »Auch diese Lektion trägt die Zahl Sieben.«
    »Richtig.«
    »So verstehe ich nun: In der Versuchung war der Urgrund der Geburt des Messias. Und selbst der Teufel kann nicht leugnen, dass ein göttlicher Funke in ihm steckt. In der hebräischen Zahlenmystik«, sagte Henri dann nachdenklich, »scheint es nichts zu geben, das wie Abfall weggeworfen wird. Nein, falsch. Besser ist es, zu sagen, es gibt darin nichts, was keine Bedeutung besitzt.«
    »Und wodurch kommt das?«
    »Vermutlich, weil das hebräische Alphabet – wie ihr glaubt – von Gott selbst herrührt. Und warum sollte Gott etwas Nutzloses geschaffen haben?«
    »Die Schöpfung ist von einer mathematischen Reinheit, mein Sohn. Diese Vorstellung ist nicht nur poetisch und schön. Sie erklärt auch, warum wir Kabbalisten glauben, den Wahrheitsgehalt des Seins überprüfen und seinen tiefen Sinn verstehen zu können.«
    »Ist es das, was du als die wahre Erkenntnis der Emanationen des Ur-Einen bezeichnet hast?«
    »Du verblüffst mich, mein Sohn. Denn damit hast du die siebte Lektion schon verstanden und befindest dich auf dem Weg in die achte Lektion. Diese folgende Lektion spricht das Ich an. Es ruht im Herzen aller Wesen – ich sagte, aller Wesen. Das steht in diesem Abschnitt des Sohar, und das betrifft den Menschen genauso wie die Ratte und den Grashalm. Von diesem Glauben darfst du kein Jota abweichen. Also keinen Strich breit.«
    »Sind wir damit in der achten Lektion?«
    »Die achte Lektion besagt, dass die Dinge der Welt ihre Form allein in den zehn Sephirot bekommen. Weil sie ihn in den zehn unaussprechlichen Namen Gottes haben. Wenn wir auf ihnen aufsteigen, gelangen wir vom Allgemeinen zum Besonderen. Zur Einheit. Im Blitz des Augenblicks schlägt dem suchenden und verstehenden Ich dann die Ewigkeit entgegen – und sie vereinen sich. Es ist ein heiliger Moment, der nur Erleuchteten zuteil wird. Ein Moment der Durchdringung von allem Festen, Verhärteten. Diesen Herzschlag haben auch deine Gefährten verspürt und ihn ausgenutzt, als sie die unüberwindlich scheinenden Mauern deines Donjons in Fontainebleau öffneten, als ihr geheimes Wissen die entscheidende Verbindung einging und die Steine erweichte. Vielleicht wussten sie nicht einmal etwas davon und glaubten nur, die Zeichen der geheimen Steinmetze zu deuten. In Wirklichkeit aber fielen Augenblick und Ewigkeit zusammen und weichten die Materie zu etwas Geistigem auf.«
    »Ich habe eine solche Empfindung stets in der Sainte Chapelle auf der Seineinsel gehabt.«
    »Ein unvergleichlicher Moment, nicht wahr? Und da du offensichtlich solche Momente schon kennst, sind wir schon bei der neunten Lektion angelangt.«
    »Theophil, ich muss dir etwas berichten. Ich habe ein ungutes Gefühl. Es könnte sein, dass sich etwas über den Köpfen der Juden Toledos zusammenbraut.«
    »Unsinn! Wir leben gut angepasst in dieser Stadt! Und einfach war es nie an der Seite der Christen.«
    »Ich habe mit Ferrand

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