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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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magisches Wissen verfügt, hat ihn geschaffen.«
    »Du musst verrückt sein, Ferrand«, sagte Henri, »wenn du so etwas glaubst! Theophil ist doch gar nicht in der Stadt. Er reiste vor Tagen nach…«
    »Oh ja! Ich weiß! Alles Ausreden. Der Rabbane aus Speyer ist ein übler Lump und Lügner. Er sitzt nachts in seinen Kellern, blättert in seinen Brevieren und ruft Geister und Dämonen an! Einer davon hat meinen Manuel getötet!«
    Henri konnte nicht glauben, dass es einen solchen Dämon wirklich gab. Aber wer wusste schon, was in diesen Tagen alles geschah!
    Wenig später flüsterte ihm ein Schüler zu, es gäbe tatsächlich ein künstlich erschaffenes Wesen. Die Juden munkelten, der Rabbi habe es aus einer unerwünschten, mit Henri verfeindeten Person geformt.
    Henri konnte nicht fassen, was er da zu hören bekam. »Wer soll das sein? Das sind doch Ammenmärchen!«
    »Weißt du nicht, Henri de Roslin, dass dein Widersacher Manuel falsche Anschuldigungen gegen uns Juden vorbereitet?«
    Henri fragte entsetzt: »Weiß das inzwischen schon jeder?«
    »Nein. Zum Glück nur einige Juden.«
    »Und weiter?«
    »Theophil hat dem einen Riegel vorgeschoben!«
    Henri dachte: Dann hat er doch auf meine Warnungen reagiert. Aber er konnte die Geschichte mit dem künstlich erschaffenen Wesen nicht glauben.
    »Ist der Rabbi wieder zurück?«, wollte Henri wissen.
    »War er fort?«
    Düstere Ahnungen überwältigten Henri. Er rannte zur Schule. Als er die Marmortreppen emporsprang, wusste er schon, dass er selbst tiefer verstrickt war in die jetzigen und in die folgenden Geschehnisse, als er wahrhaben wollte. Hatte er Manuel nicht selbst verdammt? Hatte er ihn nicht längst in effiegie erschlagen?
    Theophil erwartete ihn. Er sah ihm ruhig entgegen. »Willkommen zur zehnten und letzten Lektion, mein Sohn!«
    »Nein, nein, nein! Steht mir Rede und Antwort, Rabbi! Was ist in den letzten beiden Tagen geschehen! Ihr wart gar nicht verreist?«
    »Henri, in dieser Schule wird nur gelehrt und gelernt! Für alles andere ist kein Platz. Setzt Euch und stört nicht die letzte Lektion.«
    »Ich bin nicht bereit dafür, Theophil! Ich brauche andere Antworten!«
    Der alte Rabbi seufzte. »Ihr selbst seid es, Henri de Roslin, der die Dinge ungünstig beeinflusst! Ihr habt den Unterricht nicht abgeschlossen, jetzt irrlichtern Eure halb ausgegorenen Gedanken umher wie Totenlichter in einem schottischen Hochmoor. Beruhigt Euch! Und hört die letzte Lektion an, damit wir die Sitzungen zu einem guten Ende bringen können!«
    »Wir haben keine Zeit dafür, Theophil! Über uns braut sich das Unheil zusammen!«
    »Du willst nicht bis zum Ende gehen?«
    »Ich kann nicht! Ich muss handeln!«
    Noch einmal seufzte der Rabbi. Dann sagte er: »Suche mich in einer Stunde noch einmal auf. Dann sind meine Vertrauten hier. Ich muss sie befragen, ob ich dir Rede und Antwort stehen darf!«
    »Also in einer Stunde!«
     
     
    Der Rabbi empfing ihn zur besprochenen Zeit im Kreis seiner Kabbalisten.
    »Nehmt Platz, Henri de Roslin, weil Ihr ohne Arg gegen die Kinder Gottes seid«, sagte einer von ihnen.
    Henri ließ seinen Blick über die Versammlung schwarz gekleideter, sich ständig vor- und zurückbeugender Männer gleiten, die ihren linken Arm bis zum Ellenbogen mit einem kreuzweise verschlungenen Lederband umwickelt hatten. Vor ihnen auf dem Boden lagen weiße, beschriftete Blätter. Er wusste längst, sie waren »das Volk des Buches«. Was er immer noch nicht wusste, war, ob ihr Glaube an die Magie des geschriebenen Wortes zu Recht bestand. Er hoffte, darauf jetzt eine Antwort zu erhalten.
    »Ihr wisst, was mich interessiert, Rabbi«, sagte Henri. »Es ist die Sache mit dem Homunculus, die mir ein Scholar erzählt hat. Sie ist mir dringlich.«
    »Was ist damit, Henri?«
    »Man munkelt, er geht in den Nächten um. Man munkelt weiter, es sei eine untote Gestalt, der Ihr den Namen Eures Gottes auf die Stirn geschrieben habt. Und nun richtet dieses Wesen – wie soll ich es nennen – in der Stadt Schaden an, und gewisse Menschen, die ich kenne, beginnen damit, mir die Schuld daran zu geben. Ferrand klagt mich an, damit etwas zu tun zu haben. Denn – so sagtet Ihr mir selbst, Rabbi – der Unhold ist mein Feind. Es ist jener Manuel, der Schriftfälscher.«
    »Ja.«
    »Dann stimmt das also?«
    Das Gebetsmurmeln in der Runde schwoll an, die Bewegungen wurden heftiger, man zerrte an den Gebetsriemen. Ein Anwesender sagte laut: »Es gibt den hintergründigen Sinn der

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