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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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daran erinnert, kocht ihre Wut auf. Besonders nach einem heiligen Fest.«
    »Nun, ich weiß das. Ich weiß aber auch, dass Maria Magdalena die größte Sünderin war, Jesus musste sie von siebenfacher Besessenheit heilen.«
    »Doch war sie die Erste, der sich der auferstandene Jesus im Grab offenbarte! Aber wir sollten nicht darüber disputieren, dazu bleibt keine Zeit. Was tun wir, um das Unheil abzuwenden, während meine Glaubensbrüder in den Kirchen feiern?«
    Sean of Ardchatten, der in der Zimmerecke des Gasthofes saß und erneut damit begann, auf seiner dreilöchrigen, klappenlosen Querflöte zu blasen, der Schwögel, brachte Henri auf einen Gedanken.
    »Was wäre, wenn wir diesen Manuel einfach beseitigen? Ich kann das übernehmen! Nun, nicht mit meiner Flöte! Ich besitze einen scharf geschliffenen Dolch, der gut durch zarte Hälse geht. Willst du ihn sehen, Meister Henri?«
    »Schweig, Sean! Spiel weiter! Deine Melodien klingen weniger misstönend als deine Worte.«
    »Es liegt an dem Instrument, ich habe es von meiner Guinivevre geschenkt bekommen. Wie lange habe ich das Mädchen schon nicht mehr gesehen.«
    »Du wirst sie bald sehen. Denn wenn wir das hier überstanden haben, reisen wir nach Beaumont, und du darfst sie einmal küssen.«
    »Sie ist nicht mehr in Beaumont, sondern lebt inzwischen beim Abt von Cadouin, Henri. Ob der mir erlaubt, sie zu küssen?«
    »Hm. Ich werde ein Wort für dich einlegen.«
    »Was tun wir, Henri, die Zeit drängt!«, wandte Joshua ein.
    »Bei Seans Worten ist mir etwas eingefallen. Nun, es ist verrückt, aber ich werde es probieren. Es hat mit meinen Kabbala-Lektionen zu tun. Joshua, hältst du es für möglich, dass man jemanden, dessen Namen und Persönlichkeit man intensiv heraufbeschwört, tatsächlich beeinflussen kann?«
    »Du meinst wirklich nur beeinflussen? Auf jeden Fall. Aber meintest du nicht eher töten?«
    »Manuel ist eine Ratte, er nimmt den Tod von vielen Unschuldigen in Kauf. Ich weiß nicht, was der Eiferer Ferrand ihm dafür bezahlt. Jedenfalls haben beide keine edlen Motive.«
    »Ich kann dich nur warnen, Henri. Wenn du die Kabbala-Lektionen nicht ordentlich abgeschlossen hast, dann ist es gefährlich, mit ihren Geheimnissen zu spielen. Dann gerät vieles durcheinander. Hat Theophil dir das nicht gesagt?«
    »Doch. Er sagte, ich müsse noch eine einzige Lektion anhören. Und verstehen. Und damit besäße ich den Schlüssel, Dinge und Wesen in meinem Sinne zu beeinflussen.«
    »Dann schließe die zehnte Lektion ab, Henri. Tue es bald, am besten morgen früh.«
    »Das geht nicht. Theophil ist verreist. Er reist oft. Diesmal muss ich warten, bis er aus dem südlich gelegenen Burguillos de Toledo zurück ist.«
    »Wann wird das sein?«
    »In zwei Tagen.«
    »Dann kann es schon zu spät sein!«
    »Denkt an meinen zierlichen Dolch!«, erinnerte sie Sean. »Ich tausche ihn gern einmal gegen meine Flöte aus, um Ratten zu schneiden.«
    Henri verabschiedete seine Freunde. Er wollte allein sein. Lange ging er in der Gaststube umher. Dann schritt er hinaus, verließ Toledo über eine der drei Brücken und setzte sich am Ufer des Tajo nieder. Der Fluss bestand nur noch aus einem dünnen, gelben Rinnsal. Es erschien Henri wie ein Gleichnis. Das Leben versickert, dachte er, wir können seine verschwenderische Kraft nicht ausschöpfen, es entgleitet uns unter den Händen. Alles vertrocknet.
    Er beobachtete Vogelschwärme, die in den hohen Himmel ein Zeichen setzten, das Henri aber nicht deuten konnte. Was will uns die Natur sagen?, dachte Henri. Hält sie für uns eine Botschaft bereit? Können wir daraus lernen?
    Aber was?
    Wieder sah er zum Himmel auf. Er war jetzt leer. Wolkenlos. Unendlich tief.
    Wo wohnt der Herrgott?, dachte Henri. Ist er dicht über uns oder weit weg? Hörst Du mich, Herr? Siehst Du mich? Gib mir ein Zeichen, damit ich weiß, ob mein Tun Dir gefällt!
    Und mutloser werdend, wartete er.
    Immer wieder blickte er zum Himmel auf. Nichts geschah.
    Dann soll es so sein, dachte Henri.
    Er hatte einen Plan gefasst.
    Ferrand schrie herum. »Manuel ist verschwunden! Einfach so! Wie von der Erdoberfläche! Daran sind die verfluchten Juden schuld!«
    »Mäßige dich, Ferrand! Was ist mit Manuel?«
    »In den engen Gassen des Judenviertels soll seit zwei Tagen ein Unhold umgehen«, sagte der Franzose atemlos. »Direkt neben der Synagoge und dem Friedhof hat ihn einer gesehen. Man sagt, er habe Manuel ermordet. Und dein Lehrer, dieser Theophil, der über

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