Die Verschwoerung von Toledo
hin und wieder die rechte Seitenplane und starrten zu ihm herein. Es waren keine Vertrauen erweckenden Gesichter, und ihr Lachen war es noch weniger.
Der von zwei Pferden gezogene Karren ratterte dahin. Wohin brachte man ihn? Wenn er im Freien war, versuchte Henri, sich zu orientieren. Sie waren inzwischen im Gebirge. Und da die Sonne abends zur Linken unterging, schloss er daraus, sie bewegten sich nach Norden. Natürlich!, dachte er, sie bringen mich nach Frankreich! Vielleicht ins Inquisitionsgefängnis von Avignon, vielleicht in den Kerker von Paris. Würde dort Guillaume de Imbert auf ihn warten, der Generalinquisitor, den man nur »de Paris« nannte?
Henri wurde hin und her geworfen, schmerzhaft stießen seine gefesselten Glieder gegen die rohen Sparren des Holzkäfigs, in dem er kauerte. Henri versuchte, sich auf dem mit stinkendem Stroh ausgelegten Boden so hinzusetzen, dass seine Wunden nicht schmerzten, aber das gelang ihm nicht, er wurde immer wieder gegen die Ecken und Kanten des elenden Gefährts geworfen. Es war der Karren eines Schinders, über den das schwarze Tuch mit dem roten Kreuz der Inquisition gedeckt war, vorn zwei kräftige, aber inzwischen müde Zugtiere, auf dem Bock ein Landsknecht mit Spießen rechts und links.
Wieder hielt der Karren an. Und jetzt erblickte Henri seinen Widersacher Ferrand de Tours.
Die Bewacher holten Henri heraus und stellten ihn vor den Karren. Der Tempelritter erblickte im Hintergrund die Häuser eines Ortes. Ferrand trat auf ihn zu. Er baute sich dicht vor ihm auf und schlug ihm ins Gesicht. Unter den Schlägen sagte er:
»So, Jude, jetzt kannst du zusehen, wie es deinesgleichen ergeht. In Nordspanien herrschen inzwischen strengere Gesetze, als du sie kennst. Und wenn wir später die Grenze nach Frankreich überschreiten, dann wirst du begreifen, dass es ein Fehler war, zu konvertieren!«
Henri biss die Zähne zusammen und schwieg. Er sah zu, wie die Männer im Gefolge Ferrands in den Ort einritten. Dort trieben sie die Einwohner aus den Häusern. Die Menschen trugen den gelben Judenfleck auf ihrer Brust, der nach dem Willen ihrer Feinde ein Geldstück darstellen sollte. Man trieb sie zusammen und führte sie zur Synagoge, diese war ein unscheinbarer, flacher Bau mit einem fünfeckigen Turm. Dort wurden sie eingesperrt. Und dann begann die Soldateska mit der Plünderung. Alles, was die Dorfbewohner an Hab und Gut besaßen, warf man in den Staub der Gasse und teilte es auf. Im Hintergrund wurde das Tor der Synagoge hinter den Gefangenen verrammelt. Die Meute legte Feuer. Lichterloh brannte die Synagoge.
Henri musste mit ansehen, wie das einzige Fenster der Synagoge barst und die Menschen versuchten, sich dadurch ins Freie zu retten. Doch die Männer Ferrands erwarteten sie dort und metzelten sie johlend mit Schwertern und Piken nieder.
Henri zerrte an seinen Fesseln. Er versuchte, die Seile am Wagenrad durchzuscheuern. Doch ein Bewacher erkannte seine Absichten und schlug ihm den Knauf seines Schwertes seitlich gegen den Kopf. Henri stürzte zu Boden.
Im Liegen sah er den Rauch der Synagoge aufsteigen. Und er hörte Schreie. Plötzlich erblickte er in der Fensterhöhle eines der ersten Häuser ein Kindergesicht. Es gehörte einem Mädchen. Seine großen Augen starrten zu ihm herüber, blickten ihn angsterfüllt an. Henri hoffte, sein Bewacher würde die Kleine nicht entdecken. Er machte dem Kind mit dem Kopf ein Zeichen, vom Fenster zu verschwinden und sich zu verstecken.
Die Kleine weinte, aber sie gehorchte.
Vielleicht, dachte Henri, wird sie die einzige sein, die das Wüten überlebt.
Nach einer Weile kam die Soldateska Ferrands zurück. Sie lachte und schleppte Beute mit sich. Einer hatte Schafe zusammengebunden und zog sie hinter sich her. Vom Hals eines anderen baumelten drei kopflose Hühner. Ferrand trug in einem Sack das klirrende Silbergerät aus der Synagoge.
»So lohnt sich die Reise!«, schrie einer.
Und ein anderer schrie zurück: »Na und? Wir müssen schließlich mit irgendwas unsern Schnaps bezahlen!«
»Da hat er doch Recht, nicht wahr?« Ferrand war zu Henri getreten. In seinem geröteten, verschwitzten Gesicht stand ein hässliches Lächeln, seine Blicke waren unstet. »Was sagst du zu deinen Brüdern, die sich so klaglos ergeben, Jude? Ist es nicht ein Schuldeingeständnis, sich ohne Gegenwehr abschlachten zu lassen?«
»Du wirst für alle diese Taten sterben, Ferrand!«, erwiderte Henri mit fester Stimme.
»Wir sterben alle,
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