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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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dabei, wie seine Beine zitterten. Er reckte sich und trat an das winzige Zellenfenster. Es ging auf einen Platz hinaus. Draußen stand eine Menschentraube und sah den Büßern zu. Viele hatten flehentlich die Hände zum Himmel erhoben.
    »Reinigt euch! Unsere Zeit vergeht im Fluge! Nur die göttliche Zeit ist unvergänglich! Ihr habt euch eingebildet, auf sicherer Erde zu wandeln, nun seht ihr euch, wie ihr wirklich seid, inmitten der Schöpfung herumirrend wie körperlose Seelen im Fluge!«
    Henri wandte sich ab und ging erneut in der Zelle umher, um seine Glieder wieder zu stärken. Er beobachtete die Spinnen in ihren Netzen, die von den Wänden bis zum Boden herabhingen. Aber das Geschrei von draußen trieb ihn bald wieder an das Gitter zurück.
    Ein Waschweib direkt unter seinem Fenster rief aus: »Der Herrgott stehe uns allen bei! Jetzt packt er uns am Schlafittchen!«
    »Mume, schwatzt nicht so!«, erwiderte ein Mann mit einer blutgetränkten Schürze eines Fleischhauers. »Durch Gerede wird alles noch schlimmer! Schon wollen meine Tiere nicht mehr zur Schlachtbank. Es ist, als seien sie vom Teufel besessen.«
    »Und meine Kinder hören auch nicht mehr auf mich! Die Zeit steht auf dem Kopf, Hombre!«
    Henri sah in diesem Moment, wie Ferrand mit zwei seiner Männer den Platz überquerte. Sie trugen zwei Beutel auf dem Rücken. Es ist ihr Diebesgut aus der Synagoge, dachte Henri, sie verhökern es in Zaragoza, wo man dafür Höchstpreise zahlt, das ist es, was sie hier zu tun haben.
    Während er schaute, hörte er, wie unten einer der Gaffer sagte: »Oben im Heiligen Römischen Reich regnet es Feuer vom Himmel, und die Ernte verfault. Schon sind Tausende verhungert. Es gibt Mord und Totschlag, der Schnitter geht um, und die heiligen Brüder in den Klöstern rüsten sich zur Wallfahrt nach Jerusalem, wo sie das Gericht überleben zu können glauben.«
    »Dort soll auf einem Stern ein Engel niedergegangen sein und hält seitdem Gericht über die Sünder.«
    »Ja«, erwiderte ein Bürger bedächtig, »wir haben alle gesündigt. Aber ich habe immer ehrliche Geschäfte gemacht, ich komme in den Himmel.«
    »Ay!«, schrie daraufhin ein Tagelöhner, »er kommt in den Himmel! Brüder, hier seht ihr einen, der schon einen Platz neben dem Herrgott gemietet hat! Wie viel Goldflorins kostet so ein Platz im Himmel, Señor?«
    Henri drückte sein Gesicht ans Gitter, um besser sehen zu können. Der Kaufmann, der ebenfalls direkt unter ihm auf der Straße stand, sah das von Beulen entstellte Gesicht des Tagelöhners angewidert an. »Still, Kerl! Für rechtschaffene Menschen gibt es keine Gemeinsamkeit mit Sündern, wie du es bist. Denn das Reich Gottes ist nicht für jeden eine Bedrohung, sondern der erstrebte, letztgültige Ausweg. Ich sehne die Abrechnung herbei…«
    Henri sah weitere Büßer herankommen. Eine endlose Schlange schlurfender Männer und Frauen. Auch Kinder waren vereinzelt darunter. Sie führten Hunde und Ziegen mit sich. Ihr Anführer trug ein schweres Holzkreuz auf seinem Rücken, unter dessen Last er ganz gebeugt ging und einmal stürzte.
    Im Hintergrund bemerkte Henri in diesem Moment einige dunkle Gestalten. Er kannte diesen Anblick. Sicher waren es Agenten, die im Auftrag von Kirche und Staat das Geschehen misstrauisch im Auge behielten. Zwar nützte es den Ordnungsmächten, wenn die Angst vor dem Strafgericht die Bürger beutelte, denn umso leichter konnten Gesetze des Offiziums und der Krone durchgesetzt werden. Aber der Fanatismus der Büßer durfte auch nicht Überhand nehmen. Man konnte ja nicht wissen, zu welchem Ungehorsam gegen die Autoritäten die Glaubensfanatiker im Angesicht des Jüngsten Gerichts aufriefen.
    Henri setzte seine Wanderung in der kleinen Zelle fort. Sechs Schritte voran, sechs seitwärts, sechs zurück.
    Langsam senkte sich die Nacht herab. Draußen wurden Feuer in Pechpfannen angezündet. Henri roch ihren Rauch, sah das Flackern des Lichts. Die Menschen schrien weiter, die Geißler gingen im Kreis und ließen ihre Peitschen auf die nackte Haut klatschen. Hunde bellten.
    Henri dachte darüber nach, welche Vorstellung von den nahenden Qualen des Absturzes in die ewige Finsternis er selbst hatte. Himmel und Hölle waren für ihn keine Einbildungen, sondern wirklich existierende Kontinente, auf die irgendwann jeder Christ und Sünder verbannt wurde. Es war nur eine Frage der Zeit. Und schien nicht jetzt der Zeitpunkt der Abreise tatsächlich gekommen zu sein? Wir Menschen, dachte

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