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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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er, werden damit zurückkehren in unsere eigentliche Heimat – die Ewigkeit. Aber einigen wird diese Heimkehr fürchterliche Schmerzen bereiten. Würde er selbst zu diesen gehören?
    Er hatte den treulosen Papst Clemens ermorden lassen. Und den ruchlosen König Philipp hatte er mit eigener Hand getötet.
    Henri lauschte nach draußen. Sie verkünden das Ende der Welt, dachte er, aber stellen sie es nicht selbst dar? Denn sie tun nichts dafür, dass es besser wird.
    Was habe ich je dafür getan?
    Es war nicht die Stunde seiner eigenen Rechenschaft. Henri suchte in seinem Gedächtnis einen Vers aus der Ordensregel und sagte ihn leise auf. Kehre durch die Mühe des Gehorsams zu dem zurück, den du durch die Trägheit des Ungehorsams verlassen hast. Was soll ich tun, Herr? Henri überfiel plötzlich das Gefühl, eine Antwort zu brauchen. Irgendeinen Trost! An dich also richte ich jetzt mein Wort, wer immer du bist, wenn du nur dem Eigenwillen widersagst …
    Was ist der richtige Weg, Herr? Zeig ihn mir!
    Draußen schrie eine Frau: »Die Zeit erreicht ihre Fülle, sie vollendet sich, und mit dem Ende der Zeit bricht das Reich Gottes an! Oh, wir Sünder, bereiten wir uns vor auf den Tag der Abrechnung!«
    Ist es das?, dachte Henri. Lassen wir alles einfach gewähren und richten uns auf die spätere Zeit ein, denn alles ist von Gott gewollt? Müssen wir nicht schon jetzt etwas tun gegen die Verwahrlosung und den Verfall?
    »Der Messias ist nahe! Schon sehen wir sein Licht in der Finsternis der Welt! Herr, komm und richte uns!«
    Ja, Herr, dachte Henri mutlos. Komm und richte uns ohne Ausnahme. Denn keiner von uns besitzt eine Ausrede, um verschont zu werden.
     
     
    Sie ritten zu viert. Joshua hatte es sich nicht nehmen lassen, dabei zu sein. Aber im Ernstfall würden nur Uthman und seine beiden sarazenischen Brüder mit ihren Waffen etwas ausrichten können. Joshua wusste, dass ihm im Kampf höchstens die List des Hintergründigen blieb. Aber manchmal brauchte man auch dann, wenn die Waffen sprachen, die Macht des listigen Gedankens.
    Ein Zöllner, den Joshua mit einem Goldstück schmierte, wollte den Gefangenentransport auf dem Weg nach Zaragoza gesehen haben. Also schlugen sie den Weg dorthin ein, obwohl Uthman diesen Zwischenaufenthalt für Zeitverschwendung hielt.
    »Sie sind sicher weitergeritten. Denn was sollen sie in dieser kastilischen Stadt der Bigotten?«
    »Sehen wir nach!«
    Als sie am Abend nach Zaragoza kamen, erlebten sie eine Stadt in Aufruhr. Auf allen Plätzen der Stadt das gleiche Schauspiel einer erregten Menschenmenge, die betete, durcheinander schrie und sich geißelte. Mönche lagen auf den Knien und sangen mit vorgereckten, gefalteten Händen den Himmel an. Andere standen stumm und ergriffen oder vom Schauspiel erregt dabei. Alle schienen auf Zeichen zu warten.
    »Sie wissen nicht mehr weiter«, sagte Joshua. »Ihr Kirchenlatein ist am Ende.«
    Einer der ihn begleitenden jungen Sarazenen, ein Maure aus der Vorstadt von Toledo, meinte: »Christen glauben dauernd, dass der Zeigefinger Gottes sie berührt. Sie halten sich für wichtig.«
    »Das stimmt«, pflichtete ihm sein Gefährte bei. »Sie können sich Anfang und Ende des irdischen Lebens nicht vorstellen, und das Mittendrin ist ihnen durch Weihrauchschwaden vernebelt.«
    Sie lachten. Aber Uthman ermahnte sie: »Macht euch nicht über die Christen lustig. Auch wir Muslime kennen die Geheimnisse der Schöpfung nicht. Und glauben wir nicht auch ständig, in einer bedeutenden Stunde zu leben, in die sich Allahs Atem und Geist ergießen?«
    Sie ritten weiter zur Plaza Mayor, um dort Nachforschungen anzustellen, und wenn es sein musste, ein Quartier zu suchen. In den wettergeschützten Kolonnaden waren verderbliche Waren abgestellt, Bürger wickelten Geschäfte ab. Überall flackerten Feuer, man verbrannte Abfall in Tonnen. Die Brise aus den nahen Bergen fachte Funkenregen von Pechfackeln an.
    Am Rand des offenen, gepflasterten Platzes ritten junge Hermandades auf stolzen Pferden, die hier ihre militärische Grundausbildung bekamen. Auf der anderen Seite lärmten und wehklagten Geißler. Direkt daneben, unberührt vom Trubel, deklamierten Gaukler ein Stück, in dem die Passionsgeschichte Christi dargestellt wurde. Zur Truppe gehörten auch zwei Feuerschlucker. Die beiden bärenstarken Männer hielten Fackeln an ihre Münder und spien einen Brennstoff dagegen. Hell loderten die Flammen auf und rollten einige Meter hoch empor, bis sie zerstoben und

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