Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
Vom Netzwerk:
Wein, sie nennen ihn Berz, das Zeremonialgetränk der Adligen.« Ali erklärte alles mit stolzer Miene.
    Der Händler, den sie schließlich fanden, legte seine Hände auf die Brust und berührte danach seine Lippen mit den Fingern. »Salam Alaikum, es ist Friede mit uns!«
    Die Angekommenen gaben den Gruß zurück. Man einigte sich bei einigen Krügen Honigwein. Henri und Uthman bekamen mehrere Reittiere und Packtiere, kleideten sich in die landesübliche Tracht mit langen, weißen Umhängen aus Nesseltuch, wanden sich Turbane um und steckten sich Krummdolche in die Gürtel. Am Ende verkaufte ihnen der Händler noch eine handgezeichnete Landkarte aus Antilopenleder.
    »Was ist die Hauptstadt von Äthiopien?«, wollte Henri erneut wissen.
    Der Händler zuckte die Schultern.
    »Und wo finden wir den Priesterkönig Johannes?«
    »Ihr müsst zu den schwarzen Inselreichen an den Quellen des Blauen Nils ziehen. Dort, unter den dicht dahinziehenden Wolken vor dem Mondgebirge, herrscht ein eigenes, gewaltiges und geheimnisvolles Reich, das nicht von dieser Welt ist. Dort findet ihr ihn. Er ist aber kein König, wie ihr Christen ihn kennt. Und er braucht keine Hauptstadt. Er ist… nun, seht selbst, wenn ihr angekommen seid.«
     
     
    Über dem ganzen Land lag eine eigenartige Stille. Henri dachte während des Reitens bei sich: Wie die Ruhe vor dem Sturm. Aber vor welchem Sturm? Was hatten sie zu erwarten?
    Der Weg zu den schwarzen Inselreichen an der Quelle des Blauen Nils war beschwerlich und weit. Abends lagerten sie zu Füßen gewaltiger Berge. Danach änderte sich die Landschaft jedoch dramatisch. Nach grasbewachsenen Hügelkuppen folgten rissige Berge mit wilden Taleinschnitten, auf deren Grund weiße Stromschnellen tobten. Am Ende des kommenden Tages erreichten sie eine Zickzackschlucht, erblickten einen breiten Strom und darüber einen so gewaltigen Wasserfall, dass sie ihren Augen nicht trauten. Der Fluss hing wie eine weiße Wand aus kochender Gischt direkt vor ihnen, er stürzte donnernd Felswände hinunter, die Sonne verschwand im Nebel der Wassermassen.
    »Das wüste Land ist zu Ende«, meinte Henri. »Hier scheint die Welt in zwei Hälften geteilt.«
    »Die richtige Stelle für deinen Priesterkönig«, orakelte Uthman. Hierhin also waren die ersten Anhänger des Propheten geflüchtet.
    Als sie kurz darauf einen See erreichten, dessen gegenüberliegende Ufer nicht zu erkennen waren, ahnten sie, dass sie dem Ziel ihrer Reise nahe waren.
    Das Wasser des Sees schlierte zwischen Silber und Schwarz, darauf tanzten goldene Lichtfunken. Kormorane standen mit gespreiztem Gefieder auf Klippen. Weit draußen in einer Bucht fuhren lang gestreckte Schatten lautlos über Silberstreifen.
    Uthman schützte die Augen mit den Händen und blickte hinaus. »Es scheinen Fischer in Papyrusbooten zu sein, ich kenne solche Fahrzeuge vom Tigris her.«
    »Vielleicht auch Mönche der Inselklöster«, meinte Henri.
    Am Ufer lag ein herrenloses Papyrusboot mit hochgezogenem Bug und Achtersteven, in dem zwei Männer Platz hatten. Henri und Uthman banden ihre Pferde an Pflöcken fest. Mit dünnen Stöcken ruderten sie dann über friedliche Stromwirbel, ließen hell schäumende Wellen seitlich liegen und fuhren den See hinunter. Je weiter sie kamen, desto deutlicher ragten die Bergkuppen des Mondgebirges vor ihren Blicken empor. Und dann sahen sie die Klosterinseln weit draußen, mitten im See. Und tatsächlich hatten sie beim Näherkommen das seltsame Gefühl, dass diese Inseln gleich unter den schnell dahinziehenden Wolken lagen.
    »Ein abgeschiedenes Reich«, sagte Uthman, »wie geschaffen für einen geistlichen Monarchen. Aber das Land regieren kann man von hier aus wohl kaum.«
    Der milde Wind trug einen starken Duft und einen schwachen Hauch von etwas Unerklärbaren zu ihnen herüber, einen Hauch von Inseln, die den Rand der Welt markierten. Endete hier die Weltenscheibe? Wenn es ihn überhaupt gab, dann musste der Priesterkönig tatsächlich hier wohnen.
    Langsam ruderten die Männer weiter. Sie blieben lange schweigsam. Als sie die kleine Flotte der Fischer erreichten, rief Uthman auf Arabisch zu ihnen hinüber: »Finden wir dort drüben die Inselklöster?«
    Sie verstanden ihn nicht. Henri wiederholte die Frage auf Aramäisch. Da nickten sie und riefen etwas Zustimmendes.
    »Wie kamen die Klöster hierher?«
    Ein Fischer rief zurück, und es hallte weit über das stille Wasser: »Sie waren schon immer hier. Hier begann ja die

Weitere Kostenlose Bücher