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Die Verschwoerung von Toledo

Die Verschwoerung von Toledo

Titel: Die Verschwoerung von Toledo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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    Henri widersprach. »Das ist kaum vorstellbar, solange hält sich kein Buch in diesem Klima.«
    »Ich meine die Schrift. Niemand schreibt heute so, nicht einmal die jüdischen Kalligraphen Iberiens können es.«
    »Wer hat diese Bücher geschrieben?«
    »Vermutlich äthiopische Debtera, Priestergelehrte.«
    Fasziniert blätterten die Freunde in den Büchern. »Was sind das für Bilder, was zeigen sie?« Henri war auf Uthmans Erklärungen angewiesen. Der Sarazene beugte sich tief über die in allen Farben leuchtenden Abbildungen.
    »Die Geschichte vom Propheten und König Suleiman und der Königin von Saba. Du weißt, dieser Vereinigung soll der Gründer des Axumreiches, Menelik II. der Vater Äthiopiens, entstammen.«
    »Die biblische Geschichte vom Treffen der beiden mächtigen Herrscher vor 3000 Jahren in Jerusalem?«
    »Es ist mehr als eine Geschichte, es ist im Koran und in den Geschichtsbüchern erwiesen. Nach dem Untergang des salomonischen Königtums wurde Menelik der Löwe von Juda. Seitdem nannten sich alle äthiopischen Kaiser Löwen aus dem Stamme Judas. Und ein wahrer Löwe war er, denn er bot den Vertriebenen aus Mekka Zuflucht. Der gekrönte Löwe versinnbildlicht die Kaiser selbst, ihr Titel sagt es aus, und das goldene Kreuz auf ihrem Kopf zeigt, dass die Rechtgläubigen den Christen in Äthiopien nichts taten, trotz der Ausbreitung des wahren Glaubens auch in diesem Gebiet, und zwar schon vor 500 Jahren.«
    »Ich weiß – Menelik soll die Bundeslade, nach der unsere Tempelgründer, wie es heißt, sieben Jahre lang suchten, aus dem Tempel von Jerusalem hierher in sein neues, äthiopisches Reich, auf die Klosterinsel Tana Cherkos, gebracht haben.«
    »Auf diesen Bildern sind auch Inselklöster zu sehen. Es könnten dieselben sein, auf denen wir uns gerade befinden.«
    »Du meinst, die Bundeslade mit den Gesetzestafeln Moses’, der größte Schatz der Christenheit, wurde hier aufgehoben?«
    Uthman zuckte die Schultern.
    Gebannt starrte Henri auf die Schrift und auf die Bilder, in denen die Rätsel einer mehr als dreitausend Jahre alten Geschichte gebannt waren. Und als er aufsah, erblickte er in diesem Moment draußen vor der Tür eine Prozession, die über die Insel zog. Er stieß Uthman an, und auch dieser schien es zu sehen.
    Sie wirkten unverändert seit Urzeiten, wie in den Büchern beschrieben und gezeichnet. Die lebendige Prozession der Väter.
    Es wurde ganz still. Nur die Boten des Windes flüsterten sich in den Bäumen zu, dass der Hochbetagte eingetroffen war.
    Henri sah, wie die Ornate der würdevollen Gestalten in der Abendsonne ebenso glänzten wie die mächtigen weißen Vögel, die in diesem Moment draußen auf dem See ihr Gefieder im milden Abendwind trockneten. In der Mitte der Männer bewegte sich ein ehrwürdiger alter Mann in einem goldenen Umhang. Und zogen mit ihm nicht die Wesen, die der Priesterkönig in dem Brief beschrieben hatte, den er dem Papst schickte und den Henri beinahe auswendig kannte? Jene weißen und roten Löwen, wilden Pferde und wilden Menschen, Menschen mit Augen vorn und hinten, Zentauren, Satyrn, Pygmäen, Riesen von vierzig Ellen Höhe, Zyklopen, der Vogel Phönix und fast alle Tierarten, die unter dem Himmel lebten?
    Nein, das konnte nicht sein. Aber sie brachten Widder und Ziegenbock mit, und in ihrer Mitte schritten wunderschöne Quttu-Frauen und scheue Mädchen der Afar, Bumé-Frauen im schweren Kettenschmuck, Hirtenjungen von den Oromo und weise Alte aus den Steppen von Erer Gota. Schien nicht sogar Menelik in ihrer Mitte? Er brachte die Bundeslade mit den mosaischen Gesetzen aus dem Tempel von Jerusalem in sein neues äthiopisches Reich.
    »Siehst du das alles, Uthman?«, flüsterte Henri.
    »Ich sehe ein paar Priester und Bettelmönche.«
    Henri rieb sich die Augen. Die Vision fiel von ihm ab. Draußen gingen Bettelmönche vorbei.
    Irgendetwas hatte von ihm Besitz ergriffen. Er hatte phantasiert. Das machte die magische Stimmung auf dieser Insel.
    Inzwischen war es dämmrig geworden. Der Junge kam von draußen herein und sagte missmutig: »Ihr müsst zu den Booten, geht!«
    »War dies der Priesterkönig Johannes?«, fragte ihn Henri und deutete mit dem Finger nach draußen.
    »Das ist ohne Bedeutung«, antwortete der Junge. »Was sind schon Namen? In jedem Stein sitzt Gott.«
    Von draußen ertönten in diesem Moment ein Trillern und Klänge eines fremden Chores. Man trat hinaus, die Sonne stand schon tief am Horizont. Die ganze Landschaft

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