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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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der Major … also Xaver … sagt, dass das, was in Seeon passiert ist … dass er … dass du deshalb unmöglich bei uns wohnen kannst.“
    „Herr Hamilton hat mir davon überhaupt nichts gesagt. Ich weiß natürlich, dass du es gut gemeint hast und ich danke dir, aber ich weiß selbst sehr gut, dass ich auf keinen Fall bei euch wohnen könnte.“
    „Ich bin wirklich froh, dass du das selbst sagst – ich hatte wirklich Angst, dass du mir Vorwürfe machen könntest, weil ich meinen Mann nicht umstimmen kann. Natürlich weiß ich, dass Papas Tod für dich noch viel schlimmer ist als für mich – Xaver sagt, dass du für ihn immer an erster Stelle kamst. Er hat dir so viel Liebe geschenkt, dass er mich manchmal ganz übersehen hat.“
    Isabelle sah ihre Schwester schweigend an und wandte sich dann mit Tränen in den Augen ab. Nie war ihr so aufgefallen wie jetzt, dass Sophie einfach alles nachplapperte, was man ihr sagte. In der Schule hatte sie wiederholt, was sie ihr erzählt hatte, nun war sie das Echo von Major Stutzenbacher. Sie ging langsam hinüber in den Salon, wo Hamilton am Ofen stand. Er hatte das Gespräch mitangehört und Isabelles Lage bedrückte ihn. Unwillkürlich nahm er ihre Hand und presste sie leidenschaftlich, aber wortlos an seine Lippen. Als sie zu ihm aufblickte, sah sie, dass seine Augen feucht waren.
    „Ich – ich danke Ihnen – für Ihr Mitgefühl ...“, murmelte sie, als sie ihre Hand zurückzog und aus dem Zimmer eilte.
     
    Nach der Beerdigung Rosenbergs vergingen die Tage in trister Gleichförmigkeit. Herr Rosenberg war ein gütiger Ehemann und liebevoller Vater gewesen, aber da er jeden Werktag im Büro und jeden Abend im Wirtshaus oder im Theater verbracht hatte, hatte Hamilton in den vergangenen Monaten kaum Gelegenheit gehabt, ihn näher kennen zu lernen. Wäre er nicht durch Isabelles und Madame Rosenbergs Trauerkleidung ständig an seinen Tod erinnert worden, hätte er vermutlich schnell vergessen, dass er überhaupt existiert hatte. Er besuchte Vorlesungen an der Universität, studierte mit seinem Freund Biedermann deutsche Literatur, ritt aus und ging spazieren. Zuhause behandelte er Isabelle behutsam wie ein rohes Ei, nahm ihre Anordnungen widerspruchslos hin und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab, wobei er sich jedoch so harmlos und unauffällig benahm, dass Madame Rosenberg keinerlei Verdacht schöpfte. Sie lobte sogar, dass sie ihre früheren nutzlosen Streitereien endlich eingestellt hatten.
    Es war Anfang April, als Isabelle ihn beim Verlassen des Hauses zurückrief, weil ihre Mutter mit ihm sprechen wolle. Hamilton seufzte, als er die Treppe nach oben stieg.
    „Ich ahne es. Ich werde mir wohl eine längere Predigt anhören müssen, dass ich gestern Abend vergessen habe, die Lichter auszulöschen oder dass ich meine Stiefel am Ofen angesengt habe. Sie sollten wirklich das neue Mädchen bitten, meine Zimmer in Ordnung zu bringen; es ist völlig unnötig, dass Ihre Mutter alles erfährt, was sich dort ereignet.“
    Madame Rosenberg saß an ihrem altmodischen Sekretär mit unzähligen kleinen Fächern. Sie hatte einen Stapel mit Rechnungen vor sich liegen und daneben einige Häufchen mit Münzen. Als Hamilton eintrat, deutete sie auf den Stuhl neben sich. Aber dieser hatte wenig Lust, sich eine längere Strafpredigt anzuhören, und so blieb er wie der verzogene Sohn einer nachsichtigen Mutter in der Tür stehen und murmelte etwas von Geschäften und wichtigen Terminen.
    „Ich werde Sie nicht lange aufhalten“, sagte Madame Rosenberg und seufzte tief. „Ich hätte schon längst mit Ihnen sprechen sollen, aber ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich es Ihnen beibringen kann, dass ...“
    „Sie meinen die Stiefel?“, fragte Hamilton und schloss die Tür hinter sich.
    „Nein, auch wenn ich zugeben muss ...“
    „Ich weiß alles, was Sie sagen wollen“, rief Hamilton, „verschwenderische Gewohnheiten, scheußlicher Geruch, ich könnte dadurch das Haus anzünden  etc. Natürlich haben Sie völlig recht. Ich bin zerknirscht und verspreche Ihnen, in den nächsten drei Wochen weder ein Hemd noch meine Stiefel am Ofen zu verbrennen. Und demnächst, wenn es wärmer wird, wird ja auch gar nicht mehr geheizt.“
    „In drei Wochen oder wenn das Wetter wärmer geworden ist, werden wir zu weit voneinander entfernt sein, als dass ich Sie dann noch wegen dieser Dinge tadeln oder wegen irgendetwas behelligen könnte!“
    „Meine liebe Madame Rosenberg!“, rief

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