Die Versuchung
kommen, wird es schon dunkel sein, und außer unseren Gästen wird niemand wissen, dass wir eine Hochzeit feiern. Der Papa hat es so gewünscht.“
„Aber wir werden tanzen“, rief Sophie, „und der Major hat gesagt, dass ich heute Abend so oft mit Ihnen tanzen kann wie ich will.“
„Wie ungemein gütig!“, sagte Hamilton lächelnd. „Und wie oft beabsichtigen Sie, von dieser Erlaubnis Gebrauch zu machen?“
„Das liegt ganz an Ihnen“, erwiderte sie errötend.
„Verlassen Sie sich lieber nicht auf meine guten Manieren; ich könnte mich versucht fühlen, den ganzen Abend mit Ihnen zu tanzen“, sagte Hamilton lachend. Und zu Isabelle gewandt: „Sie haben keinen Zucker in meinen Kaffee getan – wollen Sie mich für etwas bestrafen?“
„Nein – ich … ich dachte gerade an etwas anderes ...“
Sie beugte sich zu ihrer Schwester hinunter und flüsterte ihr etwas zu, worauf diese das Zimmer verließ.
„Wissen Sie, wenn Sie vor einigen Wochen das gesagt hätten, was Sie eben gesagt haben, dann wäre ich vermutlich böse gewesen, weil ich gedacht hätte, Sie wollten sich über Sophie lustig machen. Aber jetzt weiß ich, dass Sie nichts weiter meinen als dass Sie sich darauf freuen, zwei- oder dreimal mit ihr zu tanzen.“
„Wie gut Sie mich jetzt verstehen“, lächelte Hamilton.
Isabelle begann, die Tassen auf ein Tablett zu stellen.
Etwas verlegen fragte er: „Seit wann – ich meine, wann haben Sie eigentlich Ihre Meinung über mich geändert? Ich weiß, dass Sie mich am Anfang nicht ausstehen konnten.“
„Es war in der Nacht, in der Sophie sich mit Major Stutzenbacher zerstritten hatte. Die Erklärungen, die Sie uns danach über ihre Situation gegeben haben, waren aufrichtig und ehrenhaft.“
„Und Sie verzeihen mir, dass ich in Seeon mit Sophie geflirtet … ich meine, dass ich ihr Komplimente gemacht habe?“
„Ja – und ich verzeihe Ihnen auch, dass Sie bei mir das Gleiche getan haben.“
„Das ist etwas völlig anderes ...“, begann Hamilton.
„Vielleicht. Sie hatten mir alles so gut erklärt, dass es wirklich dumm von mir gewesen wäre, Sie nicht zu verstehen. Graf Zedwitz hat mich auch noch einmal deutlich darauf hingewiesen, dass Sie ...“
„Grad Zedwitz' eigene Interessen haben ihn in diesem Fall seine Freundschaft mit mir völlig vergessen lassen“, sagte Hamilton verärgert.
„Ich bin Ihnen wirklich nicht böse“, versicherte Isabelle. „Ich wusste vorher einfach nicht, was eine harmlose Liebelei ist ...“
In diesem Moment kam Sophie zurück, die sich zum Ausgehen angekleidet hatte.
„Lass uns gehen“, sagte Isabelle zu ihr, „wir sind schon recht spät dran.“
„Darf ich mitkommen?“, fragte Hamilton.
„Nein – aber Sie können uns in ein paar Stunden abholen“, sagte Sophie lächelnd.
„Sagen Sie mir, wo ich Sie finde.“
Sophie errötete und stotterte: „In meiner … ich meine … in der Wohnung … von Major Stutzenbacher.“
„Wir wollen die Möbel umstellen“, sagte Isabelle und schloss die Tür.
Länger als eine Stunde hielt Hamilton es aber nicht alleine zuhause aus, dann machte er sich auf den Weg. Da er nun schon einmal da war, wurde er aufgefordert, sich nützlich zu machen. Tische und Stühle wurden gerückt, die Vitrine bewundert, und dann gingen sie hinüber in die Küche, wo Sophie Hamilton stolz ihr Kochgeschirr zeigte und ihm versicherte, dass sie entschlossen sei, selbst zu kochen, obwohl ihre Mutter ihr Walburga als Mädchen für alles mitgeben werde. Wenig später klingelte Johann, um mitzuteilen, dass sie zuhause erwartet würden – man esse heute früher als sonst zu Mittag, weil der Friseur schon um zwei Uhr komme. Das Lächeln auf Sophies Gesicht erlosch bei dieser Mitteilung, sie setzte sich auf einen Stuhl und begann zu weinen. Isabelle gab Hamilton ein Zeichen, er möge sie allein lassen, und er ging wieder hinüber in den Salon.
Um fünf Uhr versammelte sich eine Gesellschaft von sechzehn bis achtzehn Personen in der Kapelle der Frauenkirche, wo die Trauung von Major Stutzenbacher mit Sophie Rosenberg stattfinden würde. Die Braut war sehr hübsch und sehr schüchtern, der Bräutigam schien nervös, und auch Isabelle war blass und schweigsam. Nach Hause zurückgekehrt, fanden sie alle Zimmer hell erleuchtet, und Madame Ludwig war damit beschäftigt, das Abendessen zu richten. Sie saßen drei Stunden am Tisch, dann wurde getanzt, danach gab es erneut etwas zu essen, ehe wieder bis Mitternacht getanzt
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