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Die Versuchung

Die Versuchung

Titel: Die Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jemima Montgomery
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und hell erleuchtet durch ein Heer von Wachskerzen. Hamiltons Größe erlaubte es ihm, seine Blicke über die andächtige Menge schweigen zu lassen und er zuckte leicht zusammen, als er wenige Meter entfernt seinen Freund Zedwitz erkannte, offensichtlich bleich und verstört, die Augen unverwandt auf Isabelle gerichtet. Nach dem Ende der Messe wollte Hamilton den Rosenbergs folgen, aber er fühlte sich am Arm gepackt. Zedwitz stand neben ihm und flüsterte: „Ein Wort, ehe Sie nach Hause gehen.“
    Die Menge schob sie automatisch vor die Kirche; es nieselte. Kutschen fuhren schnell nach allen Seiten weg, während Hamilton schweigend neben Zedwitz herging.
    „Ich bin krank“, sagte Zedwitz, „wirklich krank. Dieses Leben ist nicht auszuhalten – ich werde das Fieber bekommen oder wahnsinnig werden, wenn ich hierbleibe.“
    „Sie sehen in der Tat krank aus“, sagte Hamilton, „eine Luftveränderung würde Ihnen sicher gut tun. Aber Sie sollten besser nicht im Regen gehen, wenn Sie bereits Fieber haben.“
    „Ich wollte nicht abreisen, ohne mich von Ihnen zu verabschieden.“
    „Wohin wollen Sie gehen?“
    „Nach Paris – oder Rom – oder Athen ...“
    „Wird Ihr Vater einwilligen?“
    „Ich glaube es. Jedenfalls habe ich beschlossen, die Armee zu verlassen, denn ich habe keine Lust, mich in Provinzkasernen zu vergraben, und in München kann ich unmöglich bleiben. Was nützen alle meine Vorsätze, wenn ich sie ständig sehe – auch wenn sie mich nicht sieht. – Leben Sie wohl, Hamilton, ich will Sie nicht länger im Regen stehen lassen.“
    „Schreiben Sie mir“, sagte Hamilton, „damit ich weiß, wo ich Sie finden kann. Vielleicht besuche ich Sie im Frühjahr.“
    „Sie werden von mir hören! Noch ein Wort – versprechen Sie mir, sich Isabelle gegenüber wie ein Gentleman zu verhalten.“
    „Ich hatte nie etwas anderes vor“, antwortete Hamilton ruhig.  
    Zedwitz drückte die Hand seines Freundes und ging hastig davon.
    Es war zu spät, um die Rosenbergs einzuholen, obwohl Hamilton sich beeilte, nach Hause zu kommen. Er war überrascht, die Haustür offen und das Treppenhaus völlig finster vorzufinden. Aus dem dritten Stock hörte er die Stimme von Walburga, die mit Schlüsseln klapperte und ihrer Herrin laut versicherte, dass die Lampe gebrannt habe, als sie aus dem Haus gegangen sei – sie habe sie auf dem Weg die Treppe hinab geputzt. Er konnte auch die Stimme von Major Stutzenbacher hören. Hamilton tastete sich vorwärts, und als er den Fuß der Treppe erreicht hatte, rief Isabelle aus dem ersten Stock: „Sind Sie es, Herr Hamilton? Es wäre besser, wenn Sie warten, bis wir Licht haben.“
    Er wollte gerade antworten, als jemand anders an seiner Stelle antwortete: „Ja, ich bin hier!“
    „Haben Sie mich erschreckt!“, sagte Isabelle. „Ich dachte, Sie wären noch unten an der Treppe.“
    Nicht wenig erstaunt, einen Doppelgänger zu haben, blieb Hamilton stehen und lauschte.
    „Warum haben Sie sich von uns getrennt?“, fragte Isabelle.
    „Ich habe ein paar Freunde getroffen und blieb stehen, um mit Ihnen zu sprechen“, antwortete der Unbekannte auf Französisch.
    „Sie müssen völlig durchnässt sein.“
    „Aber nein – fühlen Sie meinen Ärmel, er ist kaum feucht.“
    Es folgte eine Pause, dann sprach der nächtliche Doppelgänger so leise, dass Hamilton ihn nicht mehr verstehen konnte. Vorsichtig stieg er einige Stufen hinauf und hörte: „Wenn Sie mich als Freund betrachten, werden Sie mir doch sicher die Wahrheit anvertrauen. Ist wirklich die Freundschaft zu Fräulein von Hoffmann der Grund, dass Sie Ihrem Cousin seit einiger Zeit so übertrieben aus dem Weg gehen?“
    „Übertrieben?“, wiederholte Isabelle überrascht.
    „Nun, wie auch immer – sagen Sie mir nur schnell, ob Sie den Antrag von Zedwitz abgewiesen haben, um Ihrem Vater einen Gefallen zu tun – oder aus Zorn – oder aber aus Gleichgültigkeit.“
    „Haben Sie das Recht, mich auf diese Weise zu befragen?“, rief Isabelle und entfernte sich.
    „Nein“, erwiderte der Fremde, während er ihr folgte, „das habe ich nicht. Ich begann zu fürchten, dass Sie … mich missverstanden hätten … vielleicht glaubten, dass ich mit Ihren Gefühlen gespielt habe, kurz ich dachte, dass Sie vielleicht Ihrem Cousin ausweichen und Zedwitz einen Korb gegeben haben, weil Sie sich Hoffnungen machen, die sich nicht erfüllen können. So schmerzlich es für mich auch ist, so muss ich Ihnen doch sagen, dass ich

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