Die Verwandlung - Blutsbande 1
Wange.
Nein, das weiß ich nicht. Und du, Nathan, weißt es auch nicht. Leicht angewidert von mir selbst drehte ich mich von meinem Spiegelbild weg.
Ich kannte ihn keineswegs besser als vorher.
ICH LIESS MEIN HERZ IN SAN FRANCISCO
Obwohl ich das Nachspiel unserer gemeinsamen Nacht fürchtete, waren die folgenden Nächte zu hektisch, um sich darüber Gedanken zu machen.
Bevor ich mich von meinen Verletzungen erholt hatte, hatte mich Nathan sein Blut trinken lassen. Da er kein Blut im Haus hatte, womit er seinen eigenen Bedarf hätte abdecken können, war er selbst regelrecht dehydriert. Zusammen mit dem Schlafmangel, unter dem er seit Tagen litt, und seiner schwindenden Energie, die er um meinetwillen verbraucht hatte, war er am nächsten Abend kaum in der Lage, aufzustehen.
Glücklicherweise gelang es mir, seinen Not-Blutspender ausfindig zu machen. Es handelte sich um eine forsche Dame aus der Vorstadt, die uns sauber etikettierte Blutkonserven vorbeibrachte. In der ersten Nacht war Nathan so schwach, dass ich ihm den Kopf halten musste, damit er trinken konnte. Aber danach ging es ihm schnell besser.
Ziggys Zimmer war fast komplett ausgeräumt. Nathan hatte sich offenbar die Zeit, in der er sich nicht um mich kümmern musste, damit vertrieben, auszumisten, oder er hatte versucht, alte Erinnerungen zu vergessen. Das Einzige, was noch an den Jungen erinnerte, waren einige gerahmte Fotos im Wohnzimmer. Sie standen auf dem Bücherregal. Ich wühlte in den Pappkartons und brachte noch einige Dinge zum Vorschein, die ich an verschiedenen Orten versteckte und von denen ich ausgehen konnte, dass sie Nathan dort später finden würde. Ich hatte nicht vor, ihn Ziggy vergessen zu lassen.
Stück für Stück erfuhr ich mehr über Nathans Vergangenheit. Nicht, dass er das von sich aus anstrebte. Manchmal sah ich aufgrund der Blutsbande etwas aus seinem Leben. So wusste ich auch, dass das Foto, das ich in seinem Kleiderschrank gefunden hatte, tatsächlich sein Hochzeitsfoto war. Die Frau auf dem Bild war Marianne. Sie war siebzehn Jahre alt, als sie heirateten. Es war eine schnell organisierte Angelegenheit gewesen, deren Anlass war, dass sie sich schon in froher Erwartung befand. Aber sie verlor das Baby, danach weitere. Es war das erste Anzeichen für die Tumore, die in ihrem Körper wüteten. Nathans Gefühle, seine Schuld und Verzweiflung verschleierten diese Erinnerungen, sodass ich nicht weiter in seine Vergangenheit blicken konnte.
Ich ging nicht noch einmal mit ihm ins Bett, und keiner von uns beiden erwähnte je wieder, was in jener Nacht geschehen war. Ein paar Tage schlief ich wieder auf der Couch im Wohnzimmer. Irgendwann ging es Nathan wieder so gut, dass er Ziggys Sachen zum Einlagern brachte. Eines Tages warf er mir frisch gewaschene Bettwäsche hin und sagte: „Ziggys Zimmer gehört dir.“
Offensichtlich wollte er, dass ich blieb. Obwohl es mir nicht passte, dass er mich nicht gefragt hatte, ob ich das auch wollte, sagte ich nichts. Ich konnte nirgendwo anders hin, und nirgendwo hätte ich mich so sicher gefühlt wie hier.
Nachdem zwei weitere Wochen vergangen waren, fragte ich mich, ob Cyrus mich je wieder belästigen würde. Zuerst hatte ich angenommen, dass er nur Zeit verstreichen ließ, um bei günstiger Gelegenheit wieder zuzuschlagen. Aber ich wusste, dass er nicht geduldig genug sein würde, um einen ganzen Monat zu warten.
Der Frühling kam, und die Nächte wurden kürzer. Der Buchladen war fast vollständig renoviert, und mir wurde bewusst, dass ich mit Nathan zusammenarbeitete. Ich machte Inventur und half ihm bei den Vorbereitungen für die Neueröffnung. Auch wenn ich meine Zeit damit verbrachte, ISBN-Nummern zu lesen, lenkte mich diese Tätigkeit nicht von dem an mir nagenden Gefühl ab, dass Cyrus wieder zurückkommen könnte.
Es wurde auch nicht besser, als ich vier Tage hintereinander aufwachte, weil Nathan neben mir in meinem schmalen Bett lag.
Ich wusste, dass er nicht schlief. „Nathan, was ist denn los?“
Er richtete sich hinter mir auf und legte sein Kinn auf meinen Arm. „Max wird morgen hier ankommen. Wir haben die Mission verschoben, als ich ihm sagte, was mit dir geschehen war, aber die Bewegung wird ungeduldig.“
„Wir müssen Cyrus immer noch umbringen?“ Die Ruhe, an die ich mich gerade gewöhnen wollte, verschwand auf einen Schlag. Ich drehte mich zu Nathan, um ihn anzusehen. Ich musste vorsichtig sein, sonst wäre er aus dem Bett gefallen.
Sein
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