Die Verwandlung - Blutsbande 1
die Augenhöhle.
Er schrie vor Schmerz und wich vor mir zurück. Blut strömte zwischen seinen Fingern hervor, als er die Hand auf sein Gesicht legte.
„Ich werde nicht noch einmal deine Gefangene sein. Lieber sterbe ich“, zischte ich. Ich meinte es ernst.
Gleichgültig, was ich mir so lange vorgemacht hatte: Er hatte für mich nicht mehr empfunden als für alle anderen Menschen in seinem Leben. Für ihn war ich ein Stück Besitz, ein Pfand. Ich hatte mich seinen Regeln nicht gebeugt. Ich hatte seine Befehle ignoriert und die Ordnung infrage gestellt, die er so liebte. Ich hatte damit seine Gefühle für mich zerstört.
Vielleicht hatte ich ihn geliebt, aber ich konnte auch ohne Liebe leben, wenn ich dafür meine Freiheit nicht aufgeben musste. Plötzlich war mir alles klar.
Das war der Moment, in dem ich entschied, aus dem spärlichen Rest meines Lebens das Beste zu machen. Wenn ich sterben musste, dann würde ich das nicht tun, ohne zu kämpfen.
Die übrigen Wachen kamen auf mich zu. Wenn ich mir Gedanken über die Gesetze der Bewegung gemacht hätte, hätte ich mir Mühe gegeben, nicht zu viel Schaden anzurichten. Aber der beste Weg schien mir, einfach ihre Köpfe zu nehmen und ihnen den Hals umzudrehen.
Bis Nathan neben mir stand, hatte ich drei von ihnen bereits getötet. Seine Handgelenke bluteten an den Stellen, wo die Fessel gesessen hatte.
„Es tut mir leid“, entschuldigte ich mich bei einem Posten, bevor ich ihn trat.
„Entschuldige dich nicht, hol dir Cyrus!“
Ich sah auf. Fast hatte es Cyrus bis zur Tür geschafft. Ich sprang über das Sofa und stellte mich ihm in den Weg. „Du willst schon gehen?“
„Wachen!“, rief er und versuchte, an mir vorbeizukommen, während er seinen Augapfel in der Hand hielt.
„Nur zu! Ruf noch mehr herein! Es ist mir gleich. Ich bin tot.“ Ich trat auf ihn zu und zog den Pflock aus meinem Hemd. „Und soweit es mich betrifft, bist du es auch. Na, du kannst jetzt hinausgehen wie ein kleines weinerliches Mädchen und darauf warten, dass dich deine Wachleute beschützen, oder du kannst mit mir kämpfen, bis einer von uns tot ist. Deine Entscheidung. Es sei denn, du hast Angst.“
Er ließ seine Hand sinken. Sein Gesicht war blutüberströmt. Sein Auge hing an einem Strang aus der Höhle. Er drückte es wieder hinein und blinzelte, um die Iris vom Blut zu befreien. „Ich glaube, Carrie, ich habe dich unterschätzt.“ Dann drehte er sich nach seinen Wachen um, die auf Nathan zukamen, und rief: „Alle raus!“
Ich sah kurz zu Nathan. Er lag auf dem Boden, aber er war am Leben. Ich spürte, wie seine Kraft durch meinen Körper strömte.
Cyrus trat zurück, sodass die Posten aus der Tür gehen konnten. Ich sprang vor und bohrte den Pflock durch sein anderes geliehenes Auge. Die Schädelknochen krachten entzwei. Ich hätte den Pflock direkt in sein Herz rammen können, aber das wäre zu einfach gewesen. Ich wollte, dass er litt.
„Hoppla, hätte ich erst auf ein Zeichen warten sollen?“ Die Absurdität der ganzen Situation machte mich noch nervöser. Ich fing an zu lachen. Aber sofort hörte ich auf und schluchzte verzweifelt. Vor meinem Körper ballte ich meine Fäuste so stark zusammen, dass meine Fingernägel ins Fleisch schnitten.
Cyrus versuchte vergeblich, den Pflock aus seinem Gesicht zu ziehen. Nach einem Moment des Schocks fing ich mich wieder und griff seinen Arm, um ihn hinter seinem Rücken festzusetzen.
„Weißt du, was großartig an Nathan ist? Sein Blut ist zehnmal stärker als deines, es ist konzentrierter, weil er es nicht an so viele Zöglinge verschwendet hat wie du.“ Ich drehte den Pflock aus seinem Auge, das Blut spritzte durch den ganzen Raum. Dann stach ich ihn mit dem angespitzten Stück Holz in den Rücken. „Weißt du was? Ich glaube, es gibt mir Kraft.“
Trotz meiner selbstbewussten Ansprache zitterte meine Stimme.
Cyrus Beine gaben nach und er fiel auf den Boden. Er versuchte zu sprechen, aber verschluckte sich an seinem Blut. Ich schloss die Augen und holte tief Luft. So tief wie noch nie zuvor in meinem Leben. Ein Teil von mir, der noch glauben wollte, dass er eigentlich ein guter Mensch sei, unterlag dem anderen Teil von mir, der ihm einfach nur noch wehtun wollte. Mein schlechtes Gewissen machte mir zu schaffen, dass ich einen Mann so verletzen wollte, den ich vielleicht hätte lieben können. Aber schließlich gewann mein Verstand Oberhand. Cyrus hatte es verdient, und wenn ich ihn jetzt nicht tötete, dann
Weitere Kostenlose Bücher