Die Verwandlung
anderen Persönlichkeiten jemals würde kontrollieren können. Und dann gab es da noch immer meine Familie, die glaubte, ich würde mich in jemand anderen verwandeln, meine beste Freundin, die nicht völlig davon überzeugt zu sein schien, dass ich noch immer derselbe Mensch war, sowie eine gesamte Schule voller Teenager– unter ihnen ein paar äußerst beliebte Cheerleaderinnen–, die mich für die Verkörperung des Satans hielten. Ganz zu schweigen von der irritierenden Vorahnung, dass Jareds kurze morgendliche Befragung von mir und Spencer nicht das Letzte war, was wir von der Polizei gehört hatten. Ja, mein Leben veränderte sich gewaltig– was beängstigend, absolut traurig und wundervoll zugleich war. Die Nächtliche Emily hatte sich als waghalsig, dreist und manchmal unkontrolliert erwiesen– und meine Wolfsseite war ohnehin etwas völlig anderes. Ob jedoch tagsüber, nächtlich oder wölfisch… all das war ich. Ängstlich, furchtlos, Furcht einflößend, alles in einem Körper vereint. Weder hatte ich auf alles eine Antwort parat, noch wusste ich, wohin das Leben mich führen oder ob ich mich jemals vollkommen im Einklang mit meinen drei » Selbsts « fühlen würde. Doch als ich vor dem Foto der anderen Emily stand, spielte all das keine Rolle. Meine Sorgen spielten jetzt keine Rolle. Das letzte Läuten der Schulglocke riss mich aus meinen Gedanken. Ich drehte mich um und sah, dass der vordere Fußweg zur Schule komplett leer war, abgesehen von ein paar ausgerissenen Fetzen aus einem Notizblock, die über den Rasen wehten. Ich umklammerte meinen Rucksack und lief durch die Eingangstür ins Schulgebäude, während meine Turnschuhe über das Linoleum quietschten. Ich begann, in Richtung Klassenzimmer zu sprinten– als zwei offiziell aussehende Leute, ins Gespräch vertieft, auf den Flur traten.
Die Frau, eine der Büromitarbeiterinnen, wandte sich mir zu, und man konnte sehen, dass sie mich erkannte. Ich erwartete einen strafenden Blick für mein Zuspätkommen, doch stattdessen legte sie dem Mann neben sich eine Hand auf die Schulter und deutete in meine Richtung. » Das ist sie « , hörte ich die Frau sagen.
Ich stand wie angewurzelt da, unsicher, was da vor sich ging. Mein Herz klopfte.War dieser Typ von der Polizei? Hatten sie es herausgefunden? Wussten sie, was ich war?
Der Mann drehte sich zu mir um. Er war dünn und unscheinbar, nicht größer als ich, und trug einen gewöhnlichen grauen Anzug, der ihm eine Nummer zu groß zu sein schien. Sein braunes Haar wurde schon lichter, und seine Brille aus Drahtgestell saß etwas schräg auf der Nase. Der Mann entfernte sich von der Frau und kam auf mich zu. » Emily Webb? « , fragte er mit einer für seine zierliche Gestalt überraschend tiefen Stimme.
Ich nickte. » Stecke ich in Schwierigkeiten? « , fragte ich. » Ich wollte nicht zu spät kommen, ich war nur… «
Der Mann lächelte und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ich wand mich unter der unangenehmen Berührung. » Nein, nicht im Geringsten « , sagte er. » Ich wurde von der Schulbehörde des Distrikts geschickt, um Schüler wie dich, die von den letzten Ereignissen direkt betroffen wurden, zu befragen, ähm, zu beraten. «
Ich befreite mich aus seinem Griff, trat einen Schritt zurück und sagte: » Ich wurde nicht wirklich betroffen. Ich weiß nicht, warum… «
Der Mann schüttelte den Kopf. » Die Polizei hat uns telefonisch mitgeteilt, dass du und ein weiterer Schüler letzte Nacht einen Mann, ähm, einen Leichnam entdeckt habt. Den Mann, der möglicherweise für den frühzeitigen Tod von Emily Cooke verantwortlich ist. Uns ist natürlich klar, wie traumatisierend das unter Umständen sein kann. «
» Ja. Ein wenig. « Ich wollte nicht länger hier stehen bleiben. In dem großen, leeren grünen Flur fühlte ich mich so schutzlos. Inzwischen standen nur mehr wir beide hier, der schmächtige Mann und ich– die Frau war verschwunden. Abgesehen von den gedämpften Stimmen, die durch die geschlossenen Klassenzimmertüren drangen, war es unheimlich still. » Ja « , sagte ich, » ja, das war… Sehen Sie, ich sollte jetzt wahrscheinlich in den Unterricht gehen, Mr.…? «
» Savage « , erwiderte der Mann, der weiterhin lächelte. » Du kannst mich Mr. Savage nennen. Und selbstverständlich stehen deine Studien an erster Stelle. Aber nach der Schule solltest du mich in meinem Büro aufsuchen. «
» Klar « , murmelte ich, als ich mich an ihm vorbei zu meiner ersten Schulstunde an
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