Die vierte Todsuende
und im Klartext bedeutete: »Wir haben nicht die geringste Ahnung und stochern mit der Stange im Nebel herum.«
Die beiden Detektive trafen kurz nach 12 Uhr ein, beladen mit vier Kartons voller Fotokopien. Delaney führte sie ins Arbeitszimmer und stapelte die Akten übereinander. Erst dann folgte die herzliche Begrüßung. Beide Männer trugen Zivil, und Delaney hängte ihre Mäntel und Mützen an die Garderobe. Als er in sein Arbeitszimmer zurückkehrte, traf er beide noch stehend an.
»Nun setzt euch um Himmels willen endlich hin. Boone, Sie habe ich erst vergangene Wochen getroffen, brauche Sie also nicht zu fragen, wie es Ihnen geht. Ihre Frau ist übrigens einkaufen mit der meinigen. Aber Sie, Jason, Sie habe ich das letzte Mal gesehen vor… na, zwei Jahre ist es bestimmt her. Sind Sie etwa dünner geworden?«
»Vielleicht ein bisschen, Sir, aber sehen tut man eigentlich nichts davon.«
»Na, Sie sehen jedenfalls aus, als ginge es Ihnen gut. Was machen Frau und Kinder?«
»Keine Klagen, Sir. Meine Jungens wachsen wie Unkraut. Und reden von nichts anderem als Baseball.«
»So muss es auch sein Jason. Hm…«
Keiner der beiden fragte, weshalb sie hierhergeschickt worden waren, und Delaney wusste, dass sie es auch nicht tun würden, deshalb hielt er es für richtig, sie kurz ins Bild zu setzen: Ihr derzeitiger Chef, Suarez, sei im Moment mit Arbeit überhäuft, und deshalb habe der stellvertretende Commissioner Thorsen ihn, Delaney, gebeten, im Mordfall Ellerbee auszuhelfen; man müsse bei der Aufklärung rasche Fortschritte machen, weil einflussreiche Leute die Behörde öffentlich bedrängten.
Von den innerbehördlichen Intrigen, dem unerbittlichen Kleinkrieg innerhalb der Hierarchie sagte er nichts, und Boone wie auch Jason schienen ihm seine Darstellung abzunehmen.
»Es ist nur vorübergehend, bis der Fall entweder aufgeklärt ist oder wir auf den Bauch gefallen sind. Sie, Boone, sind der Verbindungsmann zu Suarez und bleiben ständig bei mir, während Sie Jason, alles andere übernehmen. Und vergesst nicht, ich bin hier nur als so eine Art Berater tätig, nicht etwa als Polizeibeamter, sondern als reiner Zivilist. Klar?«
»Alles klar, Sir«, bestätigte Doppel-Jason.
»An einem einzigen Fall zu arbeiten, wird eine rechte Erholung sein, Sir«, bemerkte Boone.
»Erholung? Na, ihr werdet ganz schön ins Schwitzen kommen. Zunächst nehmen wir uns mal diese Unterlagen hier vor, lesen gründlich jedes Protokoll, sehen uns genau sämtliche Fotos an. In einer Stunde machen wir Mittag, es gibt Sandwiches und was zu trinken, und anschließend machen wir weiter, bis wir durch sind. Danach halten wir eine Besprechung ab und überlegen, wie wir am besten vorgehen.«
Delaney nahm die Kopien als erster zur Hand und reichte sie, nachdem er sie gelesen, an Boone weiter, der sie seinerseits nach Lektüre an Jason gab. Es waren meist kurze Protokolle, mit denen wurde man ziemlich schnell fertig. Der Obduktionsbefund jedoch und die Ergebnisse der Spurensicherung bedurften eines recht zeitraubenden Studiums. Der Qualm von Delaneys Zigarre und den ungezählten Zigaretten seiner Helfer wurde so dicht, dass Delaney den Ventilator in einem der Fenster anstellte. Gesprochen wurde nicht. Erst nach einer guten Stunde machten sie eine Pause und nahmen den versprochenen Lunch ein. Delaney, die Füße auf dem Tisch und eine Bierdose in der Hand, beglückwünschte Jason.
»Sehr schlau von Ihnen, dass Sie die Fußabdrücke auf dem Treppenläufer und im Vorzimmer nicht zertrampelt haben. Ihr eigenes Protokoll ist vermutlich komplett? Oder haben Sie was ausgelassen?«
»Soweit ich weiß, nichts, Sir.«
Delaney gab sich damit nicht zufrieden. »Haben Sie vielleicht irgendwas gerochen, als sie die Treppe raufgingen und ins Vorzimmer kamen?«
»Gerochen, Sir? Nun, was war eine elend feuchte Nacht, und im Haus roch es ausgesprochen muffig.«
»Weiter nichts? Parfüm? Räucherstäbchen? Essensgerüche — irgendwas Auffälliges?«
Der riesige Schwarze dachte mit gerunzelter Stirn nach. »Nein, außer diesem Geruch wie nach Schimmel oder so fällt mir nichts ein.«
»War die Tür zu der Galerie im Erdgeschoß abgeschlossen?«
»Ja, Sir. Auch die zur Praxis von Mrs. Ellerbee im ersten Stock. Ebenfalls die zu der Wohnung im dritten Stock Offen stand bloß Ellerbees Tür.«
»Und der lag also auf dem Rücken?«
»Ganz recht. Und übel aussehen tat er auch.«
Delaney wandte sich Boone zu. »Sergeant, was fällt Ihnen zu den
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