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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Ellerbee zu finden.
    Nachdem er den Schriftwechsel nochmals gelesen hatte, war er davon überzeugt, dass der ins Auge gefasste Kompromiss nichts wert war. Jemanden überprüfen ohne ihn befragen zu können, war einfach ausgeschlossen. Er nahm sich vor, diesen Streit weiter nicht zu beachten; trat er jemand auf die Füße, und erhob der ein Geschrei, konnte man immer noch sehen, was daraus wurde.
    Interessant war immerhin, dass Samuelson seinen Schriftverkehr in seiner Funktion als Vorsitzender der Psychiatrischen Vereinigung von New York geführt hatte, also als Arzt, der sich auf das ärztliche Ethos berief.
    Samuelson war aber auch Zeuge in einem Mordfall und mit dem Ermordeten befreundet. Es fand sich jedoch in diesem Schriftwechsel nichts, was auf seine persönliche Einstellung hinsichtlich einer Überprüfung der Patienten zum Zwecke der möglichen Überführung eines möglichen Täters hätte schließen lassen. Auch sah Delaney mit Interesse, dass Samuelson nicht erwähnte, welche Haltung etwa Mrs. Ellerbee in dieser Frage einnahm. Als Psychologin war sie zwar keine Ärztin, dass sie aber, anders als Dr. Samuelson, sich einer Befragung der Patienten augenscheinlich nicht widersetzte, ließ nur den Schluss zu, dass sie, ganz im Gegenteil, die Einvernahme der Patienten befürwortete.
    Delaney schob die Unterlagen weg und lehnte sich zurück, die Hände im Genick verschränkt. Er gestand sich ein, dass er gegen Ärzte und Advokaten eine unbegründete Abneigung hegte. In seiner jahrelangen kriminalistischen Arbeit hatten sie ihn allzu oft behindert, gelegentlich gar zu Fall gebracht. Seiner ersten Frau Barbara gegenüber hatte er sich einmal folgendermaßen geäußert: »Verflucht noch mal, wie können Menschen nur Ärzte oder Anwälte, meinethalben auch Leichenbestatter werden und ihr Geld am Unglück ihrer Mitmenschen verdienen wollen? Hab ich etwa nicht recht? Ich meine, Geld kriegen die doch bloß, wenn andere Menschen Ärger mit den Gerichten haben, krank sind oder sterben!«
    Barbara hatte ihn abschätzig angesehen und gesagt: »Und verdienst du etwa dein Geld nicht bei der Polizei?«
    Er starrte sie an und lachte dann reumütig: »Wie recht hast du doch, und was für ein Idiot bin ich!«
    Doch wie auch immer, Ärzte und Juristen waren nun mal nicht gerade seine Lieblinge. »Aasgeier«, nannte er sie für sich.
    Eine eingehende Betrachtung von Ellerbees Terminkalender erwies sich als recht ergiebig. Delaney begann damit, die Namen aller Patienten aufzuschreiben, die seit dem 1. Januar im Kalender verzeichnet waren. Er vermerkte in Spalten auf seinem Block die Zahl der Besuche und ebenso die Zahl der Absagen eines jeden. Das war eine lästige Arbeit, und als er erst nach über einer Stunde damit fertig war, betrachtete er das Ergebnis durch seine Lesebrille und wusste nicht recht: Hab ich da nun was oder nicht? Manche Patienten waren in unregelmäßigen Abständen gekommen, manche alle zwei bis drei Monate einmal, andere einmal monatlich, wieder andere alle vierzehn Tage. Viele zwei, dreimal die Woche, und zwei gar fünfmal!
    Es gab Patienten, deren Namen nur ein- oder zweimal im Kalender erschienen, dann nicht wieder. Ferner gab es lakonische Eintragungen, welche schlicht ›Klinik‹ lauteten. Ellerbee hatte für gewöhnlich um 7 Uhr den ersten Patienten empfangen und um 18 Uhr den letzten, und das an fünf Tagen in der Woche. Manchmal arbeitete er länger und manchmal auch an Sonntagen. Kein Wunder also, dass durch den ganzen Monat August ein dicker Strich lief mit dem Vermerk ›Urlaub!!!‹
    Delaney wusste aus den Akten, dass Ellerbee für eine 45 minütige Sitzung 100 Dollar verlangte. Seine Frau verlangte für die gleiche Behandlungsdauer 75 Dollar.
    Delaney machte eine Rechnung auf. Ging man von 50 Behandlungen pro Woche sowohl bei ihm wie auch bei ihr aus, kam man auf ein Jahreseinkommen von 420000 Dollar, was eine hübsche Summe war, aber kaum ausreichte, das Haus in der Stadt, den Landsitz und das Drumherum zu bezahlen, die drei Autos zum Beispiel.
    Doch war der Ermordete immerhin Henry Ellerbees Sohn gewesen, dem ein schönes Stückchen von Manhattan gehörte; möglich, dass Papa dem Jungen eine Apanage ausgesetzt hatte, vielleicht hatte der Ermordete auch noch andere Einkünfte - ererbte Wertpapiere oder ähnliches. Möglich war auch, dass seine Frau vermögend war. Von deren Verhältnissen wusste Delaney ja ohnehin so gut wie nichts.
    Er dachte an den alten Alberto Di Lucca, einen

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