Die vierte Todsuende
Gewalttaten gegen andere…
Und als er das alles dargelegt hatte, schloss er: »Jetzt bitte ich um Ihre Stellungnahme. Bestimmt haben Sie Einwände.«
»Das Journal, also die eigentliche Buchführung Ellerbees, ist und bleibt offenbar verschwunden. Wie können Sie beweisen, dass nicht andere Patienten auch so hoch bei Ellerbee in der Kreide standen wie die Yesell?«
Diese Auskunft, so Delaney, stamme von der Praxishelferin Ellerbees, welche die Rechnungen verschickt habe.
Weshalb Delaney eigentlich die Affäre Ellerbee-Yesell so ernst nehme, das könne doch ebenso gut nur ein kleines Techtelmechtel gewesen sein?
Delaney antwortete darauf mit einer Schilderung der letzten Befragung Yesells, dem Versuch der Mutter, ihrer Tochter ein falsches Alibi zu geben, Doktor Samuelsons Eingeständnis, dass er schon eine Weile vermutet habe, Ellerbee sei in eine Frauengeschichte verwickelt. Von der Blume am Rockaufschlag sagte Delaney vorsichtshalber nichts — diese Männer hätten das wohl kaum als Hinweis auf eine tiefere Verstrickung gelten lassen.
»Weshalb sollte Ellerbee sich eigentlich mit einer so unbedeutenden Person einlassen, die noch dazu nach nichts aussieht, wenn er daheim eine Schönheit sitzen hat, wie Sie sagen?« wollte Suarez wissen.
Darauf erwiderte Delaney, was er schon Boone und Jason erklärt hatte — zum einen litt Ellerbee an einem Pygmalion-Komplex, zum anderen war er es leid, unentwegt vorgehalten zu bekommen, dass er sich glücklich schätzen müsse, eine so schöne, noch dazu kluge Frau geheiratet zu haben. »Mag sein, ihm lag an einer Beziehung, in welcher eindeutig er derjenige war, der bewundert wurde. Mit einem Kunstwerkverheiratet zu sein, hat vermutlich seine Tücken.«
»Um noch einmal auf die Buchführung zurückzukommen: Wer von beiden hat das Journal Ihrer Ansicht nach mitgehen lassen, die Ellerbee oder die Yessel?«
»Selbstverständlich Mrs. Ellerbee. Einerseits wollte sie ihre Rivalin belasten und setzte deshalb ihren Namen auf die Liste der möglichen Täter. Andererseits wollte sie aber nicht, dass die Affäre mit ihrem Mann bekannt wurde. Diese Frau hat einen recht komplizierten Charakter, sie ist hin- und hergerissen zwischen ihrer Rachsucht und dem sehr starken Bedürfnis, ihre Selbstachtung zu bewahren.«
»Weshalb hat sie die Augen ihres Mannes verstümmelt?« fragte Thorsen, und da wusste Delaney, er hatte sie überzeugt.
Er erklärte, was diese Verstümmelung zu bedeuten hatte, wie er es schon Boone und Jason erklärt hatte: »Ellerbee sollte niemals mehr einer anderen ›schöne Augen‹ machen.«
Danach herrschte Schweigen.
»Sonst weiter keine Fragen?«
Er ließ die beiden miteinander allein und machte sich in der Küche einen Drink zurecht - mochten die da drinnen in Ruhe miteinander beraten. Er trank das Glas genüsslich halb leer, machte auch seinen Gästen einen Drink und kehrte damit zurück ins Arbeitszimmer.
»Nun, meine Herren, habe ich Sie überzeugt? Halten Sie Mrs. Ellerbee für die Täterin?«
»Das muss ich leider«, sagte Suarez bekümmert. »So eine Frau, was für eine Schande!«
»Und Sie, Ivar?«
»Keine Frage, sie war es, aber Sie wissen selber, Edward, dass wir es ihr noch nicht nachweisen können.«
»Sie meinen, es fehlen die unwiderlegbaren Beweise. Stimmt. Und die werden wir auch nie bekommen. Aber die Ermittlungen weiterzuführen wäre sinnlos. Das hieße, leeres Stroh zu dreschen. Trotzdem will ich ihr den Mord an ihrem Mann anhängen.«
»Wozu denn das?« Thorsen sah ihn scharf an. »Keine zwei Stunden, und wir müssen sie wieder laufenlassen. Stellen Sie sich vor, was der Staatsanwalt dazu sagt!«
»Und ich sage Ihnen jetzt, wie ich mir die Sache vorstelle«, versetzte Delaney entschlossen. »Erstens wird jede Tageszeitung die Verhaftung als Schlagzeile bringen. Jeder Fernsehsender wird darüber berichten. Dass es nicht zu einer gerichtlichen Verurteilung kommt, können wir nicht verhindern, aber wir können sie öffentlich an den Pranger stellen. Und nach der allgemein beliebten Redensart, dass, wo es raucht, auch Feuer ist, wird es an ihr hängenbleiben. Damit ist sie ruiniert und auch ihre wissenschaftliche Laufbahn. Ich weiß, wir haben nicht genug Beweise, um eine Verurteilung nach dem Buchstaben des Gesetzes zu erreichen, wahrscheinlich nicht einmal eine Anklage, aber ungeschoren soll sie mir nicht davonkommen.
Was Sie beide angeht, fällt ja auch genügend ab: Schlagzeilen, in denen von der Verhaftung die Rede ist, eine
Weitere Kostenlose Bücher