Die vierte Todsuende
ihrem Eigeninteresse zu packen und sie in die richtige Ecke zu bringen. Man würde nicht unbedingt sagen können, dass am Ende die Gerechtigkeit klar triumphiert habe, doch wann geschah das schon einmal? Er betrat unterwegs zwei Geschäfte, und als er daheim anlangte, ging er schnurstracks in die Küche. Die Frauen waren wieder einmal abwesend. Er konnte sich also ungestört zwei Sandwiches machen, diesmal mit Rahmkäse, Scheiben von roten Zwiebeln und Kapern. Auf eines klatschte er noch eine Scheibe Lachs, auf das andere geräucherten Stör. Thorsen und Suarez ans Telefon zu bekommen, kostete ihn fast eine Stunde. Beide versprachen, sich um 21 Uhr 30 bei ihm einzufinden. Anrufe in der Praxis von Mrs. Ellerbee und ihrem Landhaus in Brewster blieben ergebnislos.
Den Nachmittag verbrachte er damit, seine Akten zu ordnen. Er schichtete alles ordentlich auf und behielt nur jene Unterlagen auf dem. Schreibtisch, die er benutzen wollte. Dann entwarf er die Strategie für seine Unterredung mit Thorsen und Suarez, hielt seinen Schlachtplan in Stichworten fest. Dabei zweifelte er nicht mehr daran, dass alles so gehen würde, wie er sich das dachte - den beiden blieb gar nichts übrig, als auf seine Vorschläge einzugehen. Er lehnte sich nachdenklich im Sessel zurück, als er sah, wie nun alles dem Ende zuging. Es lag eine gewisse Befriedigung darin, aber auch so etwas wie Bedauern. Die Jagd war aufregend gewesen, hatte ihn belebt, und nun war sie vorüber.
Er ließ seine Bemühungen noch einmal im Geiste Revue passieren und fand nichts daran auszusetzen; anders und besser hätte er den Fall nicht bearbeiten können. Der eine Fehler, den er sich vorwerfen konnte, war der, dass er in einem relativ simplen Mordfall nach zu komplexen Verwicklungen gesucht hatte, die es in Wahrheit gar nicht gab. Es war wieder einmal der Fall einer verstoßenen Ehefrau. Man sollte eigentlich immer zunächst die naheliegenden Möglichkeiten durchchecken.
Delaney eröffnete das Spiel mit einem Volley. Er sagte zu Suarez: »Ich möchte, dass Sie Doktor Diane Ellerbee wegen Mordes an ihrem Ehemann verhaften, Chefinspektor.«
Thorsen fasste sich als erster. »Bei unserer letzten Unterhaltung haben Sie doch eine Patientin verdächtigt, Edward. Wie hieß sie gleich?«
»Joan Yesell. Die war es aber nicht. Sie war zwar an dem betreffenden Abend am Tatort, ist aber nicht die Täterin.«
»Es war also seine Frau? Und wir haben die Patienten gejagt? So einfach war das?«
»Einfach möchte ich es nicht nennen. Es ist eine längere Geschichte, fassen Sie sich in Geduld.«
Er ging im Zimmer auf und ab, während er seinen Vortrag hielt, dabei konsultierte er gelegentlich seine Notizen. Er begann mit der Affäre zwischen Ellerbee und Yesell, die fast ein Jahr gedauert hatte und die Mrs. Ellerbee vermutlich schon bald bekannt wurde, aber sich erst zum Drama zuspitzte, als Ellerbee etwa drei Wochen vor seinem Tode die Scheidung verlangte.
»Damit haben wir bereits das ausschlaggebende Motiv: Hass und Rache der verstoßenen Ehefrau.«
Er analysierte deren Persönlichkeit: Verwöhnt, behütet, sie hatte nie zuvor eine Niederlage erleiden müssen; als sie erfuhr, dass ihr Mann sie wegen einer in ihren Augen unbedeutenden Frau verlassen wollte, brach ihre Welt zusammen.
Er schilderte Joan Yesell, eine Frau, die erstmals in ihrem Dasein wirklich lebendig wurde, was sie ihrer Liebe zu Ellerbee verdankte. Gewiss hätte sie sich damit abgefunden, seine Geliebte zu bleiben, doch er versprach ihr die Ehe. »Das wäre also unser Dreieck, drei durch ihre Leidenschaft sehr verwirrte Akteure.«
Es folgte die Schilderung der Ereignisse am Abend der Tat: Ellerbee erwartete angeblich einen späten Patienten; seine Frau fuhr angeblich voraus nach Brewster; Joan Yesell kommt des Unwetters wegen sehr verspätet in die Praxis und findet Ellerbee bereits erschlagen vor.
»Die Ehefrau hatte das Motiv, sie hatte die Gelegenheit, und ausgeführt hat sie die Tat folgendermaßen…«
Die Tatwaffe, der Treibhammer, gestohlen aus der Werkstatt in Brewster, wo Ellerbees ihre Wagen warten ließen, lag jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf dem Grunde des Baches, der durch das Grundstück der Ellerbees floss; als weiteres Indiz führte Delaney die Klausel in Ellerbees Testament an, mit der er kurz vor seinem Tode Joan Yesell ihre Schulden erließ, und die irreführende Behauptung von Mrs. Ellerbee, Patienten mit Hang zur Selbsttötung neigten gelegentlich zu
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