Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
Vom Netzwerk:
keine Ahnung von diesem… sagen wir mal Fehltritt?«
    »Ja…, einen winzigen Verdacht hatte ich wohl. Aber auf so was hin kann man einen Menschen unmöglich verurteilen. Außerdem ist der arme Simon nicht mehr am Leben, und welchen Sinn hätte es gehabt, ihn nachträglich durch einen, wie gesagt, nur sehr wagen Verdacht zu kränken? Spielt das übrigens bei Ihren Ermittlungen wirklich eine Rolle?«
    »Eine erhebliche.«
    »Soll das heißen, Sie halten es für möglich, dass die betreffende Patientin bei seinem Tod die Hand im Spiel hatte?«
    »Immerhin steht sie unter Beobachtung.«
    Samuelson schüttelte bekümmert den Kopf. »Wie schlimm! Und wie töricht von ihm, sich mit einer Patientin einzulassen! Das ist nicht bloß ein schwerer Verstoß gegen jedes berufliche Ethos, es ist auch eine unentschuldbare Kränkung seiner Frau. Hat sie davon gewusst?«
    »Sie sagt nein. Was glauben Sie?«
    »Wie soll ich Ihnen darauf antworten, Mr. Delaney? Ich kann nicht Dianes Gedanken lesen.«
    »Nun, nun … Gedankenlesen …mir ist einiges aufgefallen, um offen zu sein, Doktor. Erstens: Sie waren mit beiden Ellerbees vor deren Eheschließung bekannt. Zweitens: Zwei Wochen nach dieser Heirat erlitten Sie einen Nervenzusammenbruch. Drittens: Ihre Beziehung zu Mrs. Ellerbee ist unverändert eng. Wenn ich Sie jetzt frage, ob Sie so etwas wie Liebe für Mrs. Ellerbee empfinden, will ich Sie damit weder beleidigen noch Ihnen weh tun oder Sie in Verlegenheit bringen. Ich frage einzig, weil die Antwort von größter Bedeutung für die Aufklärung der Mordtat sein kann.«
    Es sah aus, als habe den kleinen Mann der Schlag getroffen. Er ließ die Schultern hängen, der große Kopf auf dem mageren Hals sackte zur Seite, so als finde er nicht mehr die Kraft, ihn zu heben, die ohnehin graue Gesichtsfarbe wurde noch aschfarbener.
    »Man merkt es also?« fragte er leise.
    Delaney nickte.
    »Nun denn…, ja, ich liebe sie. Seit ich sie kenne. Damals war sie Hörerin bei Simon. Meine Frau war seit Jahren tot und ich bin einsamer Witwer. Was ich ja auch heute noch bin. Die Schönheit von Diane überwältigte mich, sie nahm mir den Atem.«
    »Ja, das verstehe ich gut.«
    »Ich glaube, jeder Mann findet sie schön. Und ihre Schönheit hat was Unirdisches. Sie scheint einer anderen Spezies anzugehören als unsereins. Jetzt erkennen Sie das ganze Ausmaß meiner hoffnungslosen Leidenschaft.« Er bemühte sich, mit Selbstironie zu sprechen.
    »Warum hoffnungslos?« fragte Delaney.
    »Sehen Sie mich an, Ein leibarmer Wicht. Zwanzig Jahre älter als Diane. Denken Sie dagegen an Simon: Hochgewachsen, kräftig, gutaussehend, brillanter Wissenschaftler und ihr im Alter erheblich näher. Ich sah doch, mit welchen Augen sie ihn betrachtete, ich wusste, ich habe gar keine Aussichten. Macht all dies mich zum Hauptverdächtigen in diesem Mordfall?«
    »Nicht im geringsten, Doktor«, schmunzelte Delaney.
    »Nun, selbstverständlich habe ich es nicht getan, hätte es nie fertiggebracht. Gewalttätigkeit in jeder Form ist mir zuwider. Dazu kommt, dass ich Simon, wenn auch auf ganz andere Weise, fast ebenso sehr liebte wie Diane.«
    »Sie kennen sie doch sehr gut, Doktor, waren oft mit ihr zusammen, sind es auch jetzt, nach dem Tode ihres Mannes. Würden Sie sie als sehr stolz bezeichnen?«
    »Stolz? Hm, das würde ich eigentlich nicht. Selbstsicher käme eher hin.«
    »Voller Selbstvertrauen?«
    »Gewiss.«
    »Hartnäckig?«
    »Gelegentlich kann sie sich ausgesprochen in etwas verbeißen.«
    »Könnte man es auch so ausdrücken: Sie setzt gern ihren Willen durch?«
    Samuelson dachte darüber nach und sagte: »Ja, ich halte das für eine zutreffende Aussage. Sie setzt gern ihren Willen durch. Das ist nicht eigentlich eine Untugend, Mr. Delaney.«
    »Da gebe ich Ihnen durchaus recht. Wir alle tun das mehr oder minder. Denken Sie jetzt bitte gründlich nach, bevor Sie antworten, Doktor, es ist wichtig. Haben Sie Diane vor dem Tod Ihres Freundes Simon angemerkt, dass sie von seinem Fehltritt wusste?«
    Samuelson goss den restlichen Kaffee aus der Thermoskanne in die beiden Tassen, lehnte sich dann zurück und betatschte sein dichtes, gewelltes Haar; Delaney fragte sich wieder, ob das ein Toupet sei.
    »Darauf kann ich, wenn ich gewissenhaft sein will, keine Antwort geben. Sehen Sie, gewisse Dinge, Reden- und Verhaltensweisen, die uns ganz normal vorkommen, nehmen eine völlig andere Färbung an, wenn man uns auffordert, sie unter dem Gesichtspunkt zu bewerten, ob

Weitere Kostenlose Bücher