Die vierte Todsuende
hat man vergessen.«
»Wie lange sind Sie nun schon trocken Sergeant - vier Jahre?«
»Ungefähr. Aber Trinker rechnen nicht in Jahren, die zählen von einem Tag zum anderen.«
»Tja«, seufzte Delaney, »das ist wohl so. Wussten Sie übrigens, dass mein Alter eine Kneipe auf der 3. Avenue hatte?«
Boone spitzte die Ohren. »Nein, das ist mir unbekannt. Wann war das denn?«
»Das ist eine Ewigkeit her. Als ich zur Abendschule ging, zapfte ich dort nachmittags Bier. Da habe ich ausreichend Bekanntschaft mit Trinkern gemacht. Kann sein, dass das der Grund ist, weshalb ich mich mein Lebtag vor dem Suff gehütet habe, was ja, wie Sie wissen, nicht heißt, dass ich enthaltsam bin. Aber lassen wir das. Was wissen wir über die Yesell?«
»Die Infos stammen von Suarez' Leuten. Sie ist als Anwaltsgehilfin in einer großen Kanzlei auf der Park Avenue beschäftigt. Verdient recht gut. Ledig, nie verheiratet gewesen. Die drei Selbstmordversuche, die von Mrs. Ellerbee erwähnt werden, haben wirklich stattgefunden, das geht aus den Unterlagen der betroffenen Kliniken hervor. Will an dem bewussten Freitagabend daheim gewesen sein. Kam gegen sechs Uhr aus dem Büro und ging nicht mehr aus. Die Mutter bestätigt das.«
»Na schön. Dann spulen wir unser Sprüchlein noch mal ab - hoffentlich zum letzten Mal!«
Die geschnitzte Wandtäfelung des Hauseinganges war abscheulich übermalt worden — in schreiendem Orange. »Nun sehen Sie sich das mal an.« Delaney pochte mit dem Knöchel auf die Täfelung. »Bestimmt achtzehnmal überstrichen, wenn das reicht. Wenn man die Farbe entfernt, kommt garantiert das schönste Walnuss- oder Kirschholz zum Vorschein. Solche Täfelungen können Sie nirgends mehr kaufen. Hier hat jemand ganz elend gepfuscht.«
An der Klingel zum Appartement 3 C befanden sich zwei Namensschilder: Blanche Yesell und J. Yesell.
»Die Mutter darf ihren Namen ausschreiben, die Tochter muss sich mit dem J. begnügen«, bemerkte Delaney nachdenklich.
Boone gab sich über die Haussprechanlage zu erkennen, und der Summer ertönte prompt. Das Innere des Hauses war sauber, es roch leicht nach einem Desinfektionsmittel, aber auch hier waren die Farben von Wänden und Treppenläufern ausgesprochen grell. Als Schmuck diente eine Zwergpalme aus Plastik.
Die gewichtige Person, die die beiden Besucher an der Schwelle des Appartements 3 C erwartete, betrachtete sie misstrauisch.
Mit schroffer Stimme erklärte sie: »Ich bin Mrs. Blanche Yesell, und Sie sehen mir keineswegs aus, als wären Sie Polizisten.«
Sergeant Boone reichte ihr stumm seinen Dienstausweis, sie hieb sich den Kneifer, der an einer schwarzen Schnur hing, auf die Nase und musterte Boones Ausweis samt Dienstmarke gründlich, was den Herren Gelegenheit gab, sie ihrerseits zu mustern.
Das blaugetönte Haar war aufgetürmt, die Züge wirkten grob und eher männlich. Boone sagte dazu später: »Sie sieht aus wie ein als Frau verkleideter Lkw-Fahrer.« Sie hatte breite Schultern, üppige Brüste und erschreckend breite Hüften. Alles in allem eine ziemliche Weibsperson auf großen Füßen in solidem Schuhwerk.
Jetzt reichte sie Boone seine Ausweise zurück. »Handelt es sich um Doktor Ellerbee?«
»Ganz recht, Madam. Darf ich Mr. Delaney vorstellen, Wir…«
»Ich wünsche nicht, dass meine Joan belästigt wird. Das arme Ding hat schon genug mitgemacht. Außerdem hat sie alles gesagt, was sie weiß. Weitere Fragen können sie nur verstören, und das werde ich nicht zulassen.«
Delaney sagte milde: »Ich kann Ihnen versichern, dass wir nicht beabsichtigen, Ihre Tochter zu verstören. Wir sind aber mit der Aufklärung eines brutalen Mordes befasst, und ich zweifle keinen Moment daran, dass Sie und Ihre Tochter bereit sind, uns dabei zu helfen, den gemeinen Mörder dingfest zu machen.«
Von dieser Suada verblüfft, warf Boone seinem Begleiter einen erstaunten Blick zu, doch schien Delaneys Technik sich zu bewähren, denn Mrs. Yesell sagte leicht schniefend:
»Nun, selbstverständlich sind ich und meine Tochter bereit, den Vertretern von Recht und Gesetz in jeder Weise zur Hand zu gehen.«
»Sehen Sie, das ist der richtige Geist«, strahlte Delaney »Nur einige, wenige Fragen und dann sind wir weg, bevor Sie bis drei zählen können.«
Mrs. Yesell ließ die Herren eintreten in eine Wohnung, so übermäßig gepolstert wie sie selber. Die Menge an Kissen, Deckchen, Nippes und Quasten war schier atemberaubend. Ferner waren zwei schwarze Katzen zu sehen,
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