Die vierte Todsuende
Ellerbee aufgefallen, in seinem Verhalten allgemein, in der Art, wie er mit Ihnen sprach?«
»Nein. Nicht das geringste.« Dies war wieder die Mutter.
»Madam«, donnerte Delaney. »Sie werden ab sofort Ihre Tochter reden lassen, wenn Sie gefragt wird, und selber den Mund halten!«
Joan Yesell sagte zögernd: »Ja, doch, im letzten Jahr etwa … er kam mir… wie soll ich sagen… er kam mir irgendwie glücklicher vor. Ja, glücklicher. Leichtherziger. Er scherzte gelegentlich.«
»Und zuvor hatte er das nie getan?«
»Nie.«
»Sie haben angegeben, dass Sie an jenem Freitag vom Büro direkt nach Hause gingen und das Haus vor dem nächsten Tage nicht wieder verlassen haben. Ist das richtig?«
»Ja.«
Delaney wandte sich düster lächelnd an Mrs. Yesell:
»Jetzt sind Sie dran, Madam. Können Sie das bestätigen? Ich meine, dass Ihre Tochter an jenem Abend nicht mehr ausgegangen ist?«
» Selbstverständlich.«
»Hatten Sie vielleicht Besuch? Haben Sie mit Hausbewohnern gesprochen oder telefoniert?«
»Nein«, sagte sie bestimmt, »wir waren allein.«
»Haben Sie gelesen? Ferngesehen?«
»Wir haben zweihändiges Bridge gespielt.«
»So?« Delaney stand auf. »Und wer hat gewonnen?«
»Mama«, piepste die Tochter. »Mama gewinnt immer.«
Die Herren bedankten sich höflich, ergriffen ihre Mäntel und zogen ab. Erst, als sie im Wagen saßen, sagte Delaney: »Dass die Tochter an Depressionen leidet, verwundert mich keinen Moment.«
»Die Alte ist ein echter Drachen«, stimmte Boone zu.
»Das ist sie wirklich. Einmal nur hat die Tochter ihr widersprochen, nämlich als sie behauptete, eine Veränderung an Ellerbee wahrgenommen zu haben. Das hat die Alte doch bestritten?«
»Und woher will sie das eigentlich wissen? Schließlich war nicht sie zweimal die Woche bei ihm.«
»Genau. Können Sie mich daheim absetzen, Sergeant? Wir machen dann für heute Schuss.«
Als Delaney im Begriff war auszusteigen, fragte Boone spontan:
»Wenn Sie einen von den sechsen als den Täter auswählen sollten, Sir, auf wen würde Ihre Wahl fallen?«
»Tja, da muss ich nachdenken. Bellsey vielleicht. Aber bloß, weil ich den Kerl nicht ausstehen kann. Auf wen tippen Sie?«
»Auf Gerber, aus dem gleichen Grunde. Und wir haben bestimmt alle beide unrecht.«
»Bestimmt« grunzte Delaney. »Schade, dass es in diesem Fall keinen Gärtner gibt. Bis morgen also, Sergeant. Grüßen Sie Ihre Frau.«
Monica stand in der Küche und zerschnipselte Hühnerflügel. Vor ihr standen vier Schälchen auf dem Tisch: Senf aus Dijon, Worcestershiresauce, Hühnerbrühe, gewürztes Semmelmehl. Als er hereinkam und ihr einen Kuss gab, blickte sie auf.
»Ein Sandwich, bitte«, bettelte er, »bloß eines. Ich hab den ganzen Tag über nichts gegessen, und bis zum Abendbrot dauert es noch Stunden. Ein Sandwich verdirbt mir bestimmt nicht den Appetit.«
»Also gut, Edward, aber nur eines.«
Er wühlte im Kühlschrank und murmelte dabei: »Das habe ich mir redlich verdient. Was für ein Tag! Wusstest du, dass von allen Ärzten die Psychiater gleich nach den Augenärzten die höchste Selbstmordrate aufweisen?«
Er stand über den Spülstein gebeugt, drehte sich aber jetzt zu ihr um, das Sandwich in einer, ein Glas Bier in der anderen Hand.
»Sag bloß nicht, Ellerbee hat sich selber den Schädel mit dem Hammer eingeschlagen.«
»Nein, ich erwähnte das bloß, weil ich allmählich ein Bild davon bekomme, was so ein Zickzack-Doktor auszustehen hat. Kein Wunder, dass sie einen ganzen Monat Urlaub im Jahr brauchen, um ihre Batterie wieder aufzufüllen. Das sind vielleicht Typen, diese Patienten von Ellerbee! Die leben in einer Welt, die mir total fremd ist, ich kann mir einfach keinen Vers auf sie machen.«
Monica nickte verständnisvoll.
»Hältst du Frauen für empfindlicher als Männer?« fragte er.
»Empfindlich? Meinst du körperlich? Kitzliger zum Beispiel?«
»Nein, das doch nicht. Vielleicht sollte ich sagen empfindsamer. Für Gefühle. Für die… die Ausstrahlung von anderen. Ich erklär's dir. Wir haben alle Patienten befragt, ob sie an Ellerbee irgendwelche Veränderungen bemerkt haben, in den letzten sechs Monaten ungefähr. Wir möchten wissen, ob er sich bedroht gefühlt hat, erpresst wurde oder so was. Alle von uns befragten Männer sagten nein, sie haben nichts an ihm bemerkt. Aber die Frauen meinten, doch, sie haben so was an ihm festgestellt. Sie stimmen nur nicht darin überein, wie er sich verändert hat, aber dass er sich im
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