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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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sind?«
    »Wahrscheinlich in den Kneipen, in denen ich auch sonst immer bin.«
    »Haben Sie Bekannte getroffen? Mit jemand geredet?«
    »Bloß mit den Barkeepern. Die kennen mich und erinnern sich bestimmt an mich, weil ich die kleinsten Trinkgelder gebe — falls überhaupt welche. Meist gibt's nichts! Keeper haben für so was ein gutes Gedächtnis.«
    »Können Sie sich erinnern, wo Sie so zwischen acht und zehn Uhr abends gewesen sind?«
    »Nee, kann ich nicht.«
    »Versuchen Sie's lieber mal«, riet Boone. »Machen Sie eine Liste der Kneipen, in denen Sie Freitagabend gewesen sind. Demnächst kommt ein anderer Kollege vorbei und fragt Sie danach.«
    »Ach, Scheiße, ich habe euch doch alles gesagt, was ich weiß.«
    »Das glaube ich keinen Moment«, sagte Delaney kalt. »Ich glaube vielmehr, dass Sie uns etwas verschweigen.«
    »Klar verschweige ich Ihnen was. Mein dunkelstes Geheimnis. Nämlich einmal bin ich Ellerbees Frau begegnet und hatte große Lust, sie zu bespringen. Tolle Nummer, diese Dame. Sind Sie nun zufrieden?«
    »Sie halten das alles für einen großen Witz, nicht wahr?« sagte Delaney. »Ich möchte Ihnen deshalb jetzt schon sagen, was wir mit Ihnen machen werden. Wir werden Ihre ganze Vergangenheit überprüfen, von Ihrem ersten Schrei als Baby bis heute. Wir werden Ihre Verwandten befragen, Ihre Freunde und Bekannten. Wir werden ihre militärische Vergangenheit durchleuchten und herausbekommen, weshalb man Sie degradiert hat. Dann nehmen wir uns die Leute hier im Haus vor, die Frauen, die irgendwann mal was mit Ihnen zu tun hatten, Kellner und Barkeeper, die Leute, die Sie tätlich angegriffen haben, und die Ärzte, die Sie zusammengeflickt haben. Wenn wir das erledigt haben, wissen wir mehr von Ihnen als Sie selber. Also spielen Sie nicht mit uns herum, Gerber, vor uns bleibt nichts verborgen. Und jetzt lassen Sie uns aufbrechen, Boone, ich brauche dringend frische Luft.«
    Als sie vorsichtig die gebrechliche Stiege hinabgingen, fragte Boone leise: »Wollen Sie das wirklich alles machen, Sir, was Sie ihm da eben angedroht haben?«
    »Ach wo. Dazu haben wir gar nicht die Zeit.«
    Im Wagen stellten sie die Heizung an, und Boone rauchte eine Zigarette. »Meinen Sie wirklich im Ernst, dass er uns was verschweigt, Sir?«
    Delaney äußerte Zweifel. »Ich weiß nicht recht. Ertragreich war diese Befragung wahrlich nicht. Er verfällt ja laufend von einer Stimmung in die andere. Eben noch zeigt er sich hilfsbereit, dann nimmt er alles bloß als Witz. Man darf allerdings nicht vergessen, dass er in einem sehr schmutzigen Krieg gekämpft und bestimmt viele Menschen umgebracht hat. Bei manchen — nicht bei allen — führt das dazu, dass sie sich am Ende nichts mehr dabei denken, einen Menschen zu töten. Haben sie erst mal einen erledigt, fällt es ihnen leicht und leichter. Es wird zur Gewohnheit. Ein Menschenleben — was ist das schon?«
    »Mir tut er leid.«
    »Mir auch«, sagte Delaney, »aber mit Ellerbee habe ich denn doch mehr Mitleid. Wir müssen in dieser Welt mit unserem Mitgefühl sparsam umgehen, Sergeant. Wir haben nämlich nur eine bestimmte Menge davon. Übrigens ist es noch früh; wir könnten unseren Lunch ausfallen lassen und nach Chelsea rüberfahren zu dieser Yesell, oder wie sie schon heißt. Haben wir die abgehakt, brauchen wir uns heute um weiter nichts mehr zu kümmern.«
    »Damit bin ich sehr einverstanden. Also los.«
    Joan Yesell wohnte im Westen in der 24. Straße, in einem Block aus fast identischen Reihenhäusern, die einen gepflegten Eindruck machten. Überhaupt wirkte die ganze Straße so. Es war sauber hier, die Abfälle verschwanden in Mülltonnen, der Rinnstein war gefegt. Die Fenster sahen blank aus, nirgends waren Wandschmierereien, es gab sogar Bäume, die jetzt allerdings kahl waren.
    Delaney überblickte das alles mit dem erfahrenen Auge des vormaligen Streifenpolizisten, und sein Kommentar fiel dann auch entsprechend aus: »Hier gefällt es mir. Es erinnert an das alte New York. Irgendwo in der Nähe hat O'Henry gelebt, oder irre ich mich?«
    »Etwas weiter im Osten, Sir. Beim Gramercy Park. Seine Stammkneipe ist immer noch in Betrieb.«
    »Waren Sie je in McSorleys Alter Trinkstube - ich meine, als Sie noch getrunken haben?«
    »Ich war in so gut wie jeder Kneipe, Sir.«
    »Fehlt ihnen das?« fragte Delaney neugierig.
    »Und wie, Sir. Es fehlt mir jeden Tag, den Gott werden lässt. Man erinnert sich nämlich nur an die Höhepunkte. Dass man das Bett nässt,

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