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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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Immobilienmakler wartet hier auf Abriss. Sobald er die letzten Mieter vergrault hat, stellt er ein Appartementhaus her.«
    »Schon möglich. Im Moment sieht es eher wie eine Wanzenbude aus.«
    Die Briefkästen im Flur waren samt und sonders aufgebrochen. Die Sprechanlage war aus der Wand gerissen und baumelte an einem einzigen Draht. Die Tür war so häufig aufgebrochen worden, dass man sie nicht mehr schließen konnte. Es stank nach Urin und irgendwas Faulendem.
    »Jesusmaria«, ächzte Boone, »das sollten wir möglichst schnell hinter uns bringen!«
    »Wissen wir, wo er wohnt?«
    »Nein, wir müssen an alle Türen klopfen.«
    Vorsichtig erklommen sie eine steile Holztreppe, deren Geländer mit Messer und Beil bearbeitet worden war. An den feuchten Wänden weitere Schmierereien. Die Türen im ersten Stockwerk waren sämtlich zugenagelt. Also probierten sie es im zweiten und dritten Stock. Hier erhielten sie die erste Antwort:
    »Verschwindet, oder ich rufe die Bullen!«
    »Wir sind die Bullen«, brüllte Boone zurück »Wir suchen Harold Gerber. Wo wohnt er?«
    »Nie gehört.«
    Im vierten Stock stolperten sie über zerbrochene Fensterrahmen und große Brocken Putz. Hier waren zwei weitere Wohnungen bewohnt, doch wurde nicht aufgemacht. Und niemand kannte Harold Gerber — angeblich. Im fünften Stock hatten sie an der Tür der am weitesten rückwärts gelegenen Wohnung Erfolg. Auf ihr Pochen rief ein Mann:
    »Wer ist da?«
    »Polizei. Wir suchen Harold Gerber!«
    »Weshalb?«
    Delaney und Boone blickten einander an. »Ein paar Fragen im Zusammenhang mit der Mordsache Ellerbee!«
    Riegel glitten zurück, die Tür ging auf, von einer starken Kette gesichert. Sie erblickten einen dürren Mann im Rollkragenpullover und einer dicken Wolljacke.
    »Hundemarke«, krächzte er.
    Boone zeigte sie ihm. Die Kette wurde weggenommen, die Tür geöffnet.
    »Willkommen im Tadsch Mahal«, sagte der Mann. »Wenn ihr euch nicht den Arsch abfrieren wollt, behaltet lieber den Mantel an.«
    Sie traten ein und sahen sich um.
    Es sah übel aus hier drinnen, und der Bewohner hatte augenscheinlich nichts unternommen, um die Bude bewohnbar zu machen. Auf dem Feldbett, einer wackligen Kommode und dem Fußboden waren seine Besitztümer gestapelt. In dem verdreckten Spülbecken stand unabgewaschenes Geschirr, der zweiflammige Herd wies eine dicke Fettkruste auf. Und es war so kalt, dass auf der Innenseite der Fenster Eisblumen blühten.
    »Klosett auf dem Flur, kann ich aber nicht empfehlen«, grinste der Mann.
    »Sie sind Harold Gerber?« fragte Boone.
    »Bin ich.«
    »Könnten wir uns setzen? Das Treppensteigen hat mich angestrengt. Mein Name ist Delaney, und das da ist Sergeant Boone.«
    »Sergeant Boone … Sergeant war ich auch mal, aber dann wurde ich degradiert.«
    Er fegte Kleidungsstücke von dem Feldbett, nahm eine Packung Bierdosen von einem Stuhl mit Spinnenbeinen und von einem zweiten Stuhl ein tragbares Fernsehgerät.
    »Strom und Wasser haben wir noch, bloß keine Heizung mehr. Das Arschloch von Hausbesitzer will uns rausfrieren. Vorsicht beim Hinsetzen, die Stuhlbeine wackeln.«
    Sie setzten sich behutsam auf die Stühle, Gerber nahm Platz auf dem Feldbett.
    »Glauben Sie, ich bin es gewesen?« fragte er grimmassierend.
    »Was gewesen?«
    »Na der, der Ellerbee erledigt hat.«
    »Waren Sie es?« fragte Delaney.
    »Ach wo. Aber gekonnt hätte ich's.«
    »Weshalb? Weshalb hätten Sie ihn umbringen können?« fragte Boone.
    »Dazu braucht man keinen Grund. Gefällt Ihnen mein Palast?«
    »Mehr Scheißhaus als Palast«, versetzte Delaney.
    Gerber lachte. »Genau so will ich es haben. Wird die Bude hier abgerissen, sehe ich mich nach was ähnlichem um. Einer von meinen Kumpeln - der wohnt in Idaho -hat versucht, da weiterzumachen, wo er aufgehört hatte, als er nach Vietnam musste. Sechs Monate hat er es versucht, dann hatte er die Schnauze voll und verschwand splitternackt im Wald, ohne alles - keine Uhr, keine Waffe, keine Streichhölzer. Mein Wald ist Manhattan. Ich wohne gerne so.«
    »Und was ist aus ihm geworden«, fragte Delaney, »aus Ihrem Kumpel, meine ich?«
    »Den hat man zwei Jahre später zufällig entdeckt. Die Forstpolizei. Er hatte sich Kleidungsstücke aus Fellen gemacht, trug einen verfilzten Bart, wohnte in einem selbstgebauten Unterschlupf und hatte ein paar essbare Pflanzen gesät. Pfeil und Bogen hatte er auch und Fallen. Fleisch reichlich. Es ging ihm glänzend. Er war mutterseelenallein, redete mit keinem

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