Die vierte Todsuende
sogleich und fand wenig Gefallen daran. Doch nach einigem Nachdenken beschloss er, den Mann gewähren zu lassen. Es kam ja am Ende vielleicht etwas heraus dabei. Delaney hatte keine Lust, sich in eine weitschweifige Debatte darüber einzulassen, ob der Zweck die Mittel heiligte. Da hatte er doch wirklich dringendere Dinge zu tun.
Der Laborbericht betreffend den von Boone aus Bellseys Kofferraum geklauten Treibhammer war total negativ Es gab keine Blutspuren, und es schien auch ausgeschlossen, dass das verflixte Ding in jüngster Zeit überhaupt zu irgendwas benutzt worden war. Boone musste den Hammer wieder in den Cadillac schmuggeln.
Delaney plagte nach wie vor der späte Patient. Er glaubte bereits der Lösung auf der Spur zu sein, stieß statt dessen aber nur auf ein noch größeres Rätsel.
Als er zum x-tenmal den Terminkalender von Ellerbee durchlas, fiel ihm auf, dass Patienten gelegentlich für 18 Uhr, für 19 Uhr, 20 Uhr, sogar 21 Uhr bestellt worden waren, und er versuchte herauszubekommen, ob dahinter ein System steckte, ob bestimmte Patienten es sich zur Gewohnheit gemacht hatten, späte Termine zu verabreden.
Ferner überlegte Delaney, dass späte Patienten, die nicht im Terminkalender aufgeführt worden waren, unter den Abrechnungen zu finden sein müssten. Miss Judd hatte doch gesagt, in solchen Fällen sei sie von Ellerbee durch eine Notiz angehalten worden, den Patienten solche unvermerkten Sitzungen in Rechnung zu stellen.
Das leuchtete ein, aber nirgendwo fand er Aufzeichnungen über die Abrechnungen. Nichts dergleichen in dem Wust von Unterlagen, die Suarez ihm herübergeschickt hatte. Gemeinsam mit Boone verbrachte er auf der Suche nach diesen Abrechnungen einen frustrierenden Nachmittag, hauptsächlich am Telefon.
Mrs. Ellerbee sagte, ja, ihr Mann habe eine Aufstellung seiner Einnahmen geführt, komplett mit Termin der Sitzung und Namen des Patienten. Sie vermute, dass diese Aufstellung von der Kriminalpolizei zusammen mit anderen Unterlagen in Verwahrung genommen worden sei. Auch Miss Judd bestätigte das Vorhandensein einer solchen Liste. Sie habe sie in der oberen Schublade ihres Schreibtisches verwahrt und ihr entnommen, wem was in Rechnung zu stellen sei.
Auf Bitten von Delaney erklärte Mrs. Ellerbee sich bereit, im Schreibtisch der Praxishelferin nachzusehen, fand die Aufstellung aber weder dort noch anderswo.
Boone fragte bei der Spurensicherung nach, doch konnte sich dort niemand erinnern, etwas mitgenommen zu haben, das so einem Journal geglichen hatte.
»Aha. Es fehlt also. Nicht aufzutreiben«, stellte Delaney fest. »Hat der Mörder es mitgenommen? Sehr wahrscheinlich. Weshalb? Weil sich darin nachlesen lässt, wie häufig er oder sie spätabends noch in die Praxis gekommen sind.«
»Ich verstehe nicht ganz…«, sagte Boone.
»Mann, das liegt doch auf der Hand. Wir vergleichen die Eintragungen im Terminkalender mit denen des Journals. Hat ein Patient, sagen wir, hundert Dollar in einem Monat mehr bezahlt, als Termine im Kalender stehen, folgt daraus, dass er zusätzlich eine Sitzung hatte.«
»Aha.« Boone ging ein Licht auf. »Aber was nützt uns das, wenn wir diese elende Aufstellung nicht finden?«
Delaney erfuhr von seiner Frau einiges über das System, nach dem Analytiker ihre Patienten zur Kasse bitten; sie hatte sich bei Bekannten danach erkundigt, die eine Analyse machten.
Meistens bekommen sie monatlich eine Rechnung. Wenn die Krankenversicherung die Kosten einer Psychotherapie übernimmt oder der Arbeitgeber eine entsprechende Versicherung für seine Angestellten abgeschlossen hat, wird es mit der Abrechnung kompliziert.«
»Und was unternimmt der Psychiater, wenn ein Patient nicht zahlen will oder kann?«
»Dann behandelt er ihn nicht mehr. Es gibt da eine Theorie, der zufolge dem Patienten die Therapie nur wertvoll erscheint, wenn er dafür kräftig zahlen muss. Ist sie umsonst, ist sie seiner Meinung nach nichts wert. Mancher Therapeut behandelt auch weiter, wenn der Patient vorübergehend in Geldnöten ist, andere passen das Honorar den Vermögensverhältnissen der Patienten an oder lassen sich auf Teilzahlungen ein. Dabei fällt mir ein, was zahlt dir die Behörde eigentlich für deine Arbeit?«
»Die zahlt mit alten Knöpfen«, sagte Delaney.
Thanksgiving verschaffte eine willkommene Arbeitspause. Der Gänsebraten samt Füllung aus in Brandy marinierten Äpfeln war vortrefflich. Boones Frau hatte eine Rumtorte mitgebracht, für ihren Mann Kuchen
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