Die vierte Todsuende
darauf?«
»Ich weiß nicht recht, sie hatte heute Abend so einen … einen Glanz um sich, ach was, ich weiß nicht, wie ich's ausdrücken soll…«
» Sie hätte es mir bestimmt gesagt, wenn es so wäre.«
»Tja, das stimmt wohl. Aber wenn sie Kinder wollen, müssen sie sich allmählich beeilen. Keiner von beiden wird jünger.«
Er saß auf dem Bettrand, einen Stiefel in der Hand. Monica setzte sich ihm auf die Knie und legte einen Arm um seinen Hals.
»Ich wollte, du und ich hätten welche, Edward.«
»Haben wir. Deine Töchter sind für mich wie meine eigenen, und meine sind für dich wie deine, das weiß ich doch.«
»Es ist aber was anderes, wenn sie einem wirklich gehören.«
»Bisschen spät dafür, meinst du nicht?«
»Ach, ich träume ja bloß«, sagte sie betrübt.
»Und sag mal ehrlich: möchtest du Kinder von einem Mann, der feuchte Sandwiches überm Spülbecken isst?«
Sie lachte. »Das musst du mir schon verzeihen. Ich weiß, ich hätte das vorhin nicht erwähnen sollen, aber ich konnte es mir nicht verkneifen.«
Bevor sie sich von ihm löste, sah sie ihn forschend an und fragte: »Liebst du mich, Edward?«
»Ich liebe dich, Monica. Ich mag gar nicht daran denken, wie leer und sinnlos mein Leben ohne dich wäre.«
Sie küsste ihn auf die Nasenspitze und er fragte: »Wie kommst du überhaupt dazu, so was zu fragen?«
Ach, wegen all dem Gerede über Leidenschaft und Mord. Ich wollte mich vergewissern, dass beides nicht unbedingt zusammengehört.«
»Tut es nicht«, sagte er gedehnt, »nicht zwangsläufig jedenfalls.«
16
Detektiv Keisman bemühte sich um Harold Gerber, den Veteranen. Der schwarze Polizist, mager wie ein Bleistift und graziös wie ein Florettfechter, wusste sehr gut, was es bedeutet, wenn die Wut an einem nagt wie ein Magengeschwür; er ging von der Annahme aus, dass er und Gerber manches gemein hatten. Jedenfalls bis er Gerber kennenlernte, sah, in welchen Verhältnisse der hauste.
Da sagte er zu Jason: »Mann, das ist ja ein total ausgeflippter Typ.«
Nun hatte er sich ihn aber mal ausgesucht, und es half alles nichts. Er legte sich eine Kluft zu, von der er annahm, sie werde Gerber nicht irritieren — abgetragene Jeans, alte Kampfstiefel, eine abgewetzte Lederjacke mit Fransen, eine irre Mütze mit Ohrenklappen.
Er machte Gerber nichts vor, sondern gab sich sogleich als Bulle zu erkennen, der den Fall Ellerbee bearbeitete.
Bei ihrer ersten Begegnung stellte er die gleichen Fragen wie Delaney und Boone und bekam auch die gleichen Antworten. Der ›Spielverderber‹ tat aber so, als wäre es ihm einerlei, ob Gerber die Wahrheit sagte oder log.
»Ich schlage hier bloß die Zeit tot, Mann«, sagte er. »Wer Ellerbee umgenietet hat, kommt garantiert nie raus, was soll ich mich abstrampeln.«
Trotzdem vertauschte Keisman täglich wenigstens einmal seine eleganten italienischen Anzüge mit der ›Gerber-Kluft‹ und besuchte seinen Schützling. »Mann«, sagte er, »komm raus aus diesem Saustall, auf ein Bier.«
Und dann hockten sie in irgendeiner Kneipe und tratschten. Keisman brachte von sich aus nie die Rede auf den Mord an Ellerbee, doch wenn Gerber darüber sprechen wollte, hatte er nichts dagegen. Er hörte dann zu und stellte Fragen, welche die Unterhaltung am Kochen hielten.
»Bislang steh ich noch total im Regen«, sagte er zu Jason, »aber der Junge wird allmählich zutraulich. Wenn meine Leber das aushält, krieg ich vielleicht was raus.«
Als er eines Tages mit Gerber in einer wirklich finsteren Kneipe in der Hudsonstreet saß, fragte der ehemalige Soldat ihn unvermittelt: »Du bist doch ein Bulle, Mann, hast du je einen umgelegt?«
»Einmal. Einen Junkie, der mit dem Rasiermesser auf mich losging. Zwei Kugeln in die Brust. Dafür habe ich sogar eine Belobigung gekriegt.«
Was gelogen war. Keisman war jetzt seit gut zehn Jahren bei der Polizei, aber seinen Dienstrevolver hatte er bislang nur auf dem Schießstand abgefeuert.
»Einmal bloß?« höhnte Gerber. »Du bist ja der reinste Amateur. In Vietnam habe ich so viele hingemacht, dass ich sie nicht zählen kann. Und nach einer Weile macht man sich nichts mehr draus.«
»Quatsch«, widersprach der ›Spielverderber‹, »egal, wie viele du umnietest, ganz ohne Wirkung bleibt das nie.«
»Das ist nun wirklich Quatsch. Ich sage dir doch, Mann, nach einer Weile denkst du dir nichts mehr dabei. Siehst du den Kerl da an der Theke, den Fettarsch, der sich an die alte Nutte ranmacht? Den habe ich im Leben
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