Die Vinetaner - Rusana
Österreicherin, und als sie achtzehn war, mit ihrer Familie nach Australien ausgewandert. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits schwanger, was allerdings erst in Australien herauskam. Sie hat sich darüber ausgeschwiegen, wer der Vater ihres Kindes ist und behauptet, es sei nur ein Unfall gewesen, ein Urlaubsflirt. Da sie sich bereits in Australien befanden und meine Urgroßeltern nicht vorhatten, wieder nach Österreich zurückzukehren, akzeptierten sie schließlich das Unabänderliche, unterließen ihre vorwurfsvolle Fragerei und unterstützten meine Oma so gut sie konnten. Mein Vater erblickte also in Australien das Licht der Welt.“
Rusana schlug gefrustet ihren Handballen gegen das Lenkrad.
„Australien! Wie soll ein Mensch darauf kommen!“
Christian blickte sie an und zog eine Braue hoch. In seinen dunklen Augen blitzte eine Mischung aus Schalk und Triumph auf, was in Rusanas Magen ein Flackern auslöste.
„Du bist doch kein Mensch.“
„Doch, irgendwie schon, nur anders.“
Christian schaute auf seine Handschellen und zog leicht an ihnen.
„Ja, beängstigend anders.“
Rusana hatte nicht vor, das Thema zu vertiefen und fragte stattdessen:
„Wieso bist du nicht in Australien?“
„Weil ich, als ich sechzehn war, mit meiner Tante nach Deutschland gegangen bin.“
„Wieso mit deiner Tante?“
Christian schwieg und Rusana glaubte schon, er wollte ihre Frage nicht beantworten, doch dann erklärte er leise:
„Mein Vater hatte einen tödlichen Unfall, als ich acht Jahre alt war. Das hat meine Mutter nie verkraftet. Sie hat angefangen zu trinken und mich immer mehr vernachlässigt. Glücklicherweise wohnte ihre Schwester im selben Haus und hat sich um mich gekümmert, hat die Mutterrolle übernommen. Als sie einen Deutschen heiratete und ihm in seine Heimat folgte, war es völlig selbstverständlich, dass die beiden mich mitgenommen haben. Meiner leiblichen Mutter war das egal.“
„Lebt sie noch?“
Christian schüttelte seinen Kopf.
„Zu viel Alkohol.“
„Und deine Oma? Katrin Müller?“
„Hat den Tod ihrer Tochter nicht verkraftet.“
Einige Kilometer schwiegen sie, bis Christian plötzlich fragte:
„Wenn du die Wahrheit sagst, ist dieser Marco mein Großvater und hat demnach meine Großmutter geschwängert. Warum hat er sich nicht um seinen Sohn gekümmert und warum hat er nicht erzählt, dass du deine Suche in Österreich beginnen musst? Oder in Australien?“
„Leider hat Marco nur einmal erwähnt, dass er ein Kind gezeugt hat, wollte aber nicht darüber sprechen, unter welchen Umständen es passiert ist. Zumindest nicht mit mir. Es ist möglich, dass mein Bruder mehr darüber weiß, aber eben nicht, dass sie Österreicherin war oder ausgewandert ist.“
„Warum habt ihr Marco nicht einfach gefragt?“
Rusana seufzte und ein trauriger Ausdruck legte sich auf ihre Züge.
„Wie ich schon sagte, hat Ruven ihn verflucht. Er liegt seit zweiunddreißig Jahren in einer Art Koma und nur dein Blut kann ihn aufwecken.“
Sie hörte Christian schnauben, doch sie ging nicht darauf ein. Sie hatte Verständnis dafür, dass er ihr nicht glaubte. Wie sollte er auch? Seine Welt bestand aus logischen Fakten.
„Ist dir eigentlich klar, dass du der Einzige bist, der Marco retten kann? Dein Vater ist tot und du hast keine Geschwister, oder?“
„Nein, habe ich nicht und deine Geschichte behagt mir immer weniger. Es gibt keine Flüche, das ist doch alles Hokuspokus, Rusana.“
„Wenn wir in Vineta sind, wirst du sehen, dass ich nicht verrückt bin.“
Christian stützte in einem Anflug von Verzweiflung seinen Kopf in seine Hände und stieß ein unwilliges Geräusch aus, weil die Handschellen ihn in seinen Bewegungen einschränkten und unbequem waren. Schließlich atmete er tief durch und versuchte, sich zu entspannen.
„Gut, bleiben wir bei deiner Story. Warum hat dein Bruder meinen Großvater überhaupt verflucht?“
Rusana biss sich auf die Unterlippe. Ihr behagte es nicht, Christian den wahren Grund zu erzählen, wollte ihn aber auch nicht belügen. Also wich sie aus.
„Marco und ich haben etwas getan, was Ruven sehr erzürnt hat. So sehr, dass er die Kontrolle über sich verloren hat. Sonst hätte er niemals den Fluch ausgesprochen, wozu übrigens nur Könige imstande sind. Mittlerweile bereut er es zutiefst und verflucht die Macht, die ihm mit der Übernahme der Krone zuteilwurde.“
„Aha“, brummte Christian. „Euer Vergehen muss ja entsetzlich gewesen sein, wenn dein Bruder sich hat so gehen
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