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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Tischchen, legte den Beutel mit der Hostie darauf, richtete sich wieder auf und begann, den Raum mit Weihwasser zu besprengen. Dann sprach der Domherr ein kurzes Gebet, für dessen Dauer sowohl Achille als auch die Haushälterin aufgefordert waren, sich hinzuknien.
    »Domine deus, qui per apostolum Iacobum …«
    Nun stellte Paolo das Fläschchen mit dem heiligen Öl und ein Tellerchen mit sechs saugfähigen Baumwollbällchen auf den Tisch, mit denen das geweihte Öl wieder abgewischt werden würde, sowie ein weiteres Tellerchen mit einer in kleine Quadrate geschnittenen Scheibe Brot und einer Zitronenscheibe, damit der Priester sich die Finger säubern konnte, nachdem er das Sakrament gespendet hatte.
    Als schließlich alles vorbereitet war, sagte der Geistliche zu Paganinis Sohn, dass nun alle den Raum verlassen müssten, denn der Moment, dem Sterbenden die Beichte abzunehmen, sei gekommen. Achille trat zu seinem Vater, flüsterte ihm etwas ins Ohr und gab ihm eine kleine Tafel sowie ein Stück Kreide in die Hände, damit er sich mit dem Priester verständigen konnte.
    Dann schloss sich die Zimmertür in Caffarellis Rücken mit einem unheilvollen Knarren, und der Geistliche war endlich mit dem Sterbenden allein.

46
    C affarelli trat näher ans Bett des Kranken heran. Allein der Umstand, Paganini nun so nahe zu sein, dass dieser ihn berühren konnte, flößte ihm ein tiefes Unbehagen ein. Doch da war etwas, was ihn noch mehr verstörte: Jetzt, aus nächster Nähe, konnte er erkennen, dass Paganinis Haut außerordentlich dünn war und sämtliche Poren geöffnet zu sein schienen. Er schwitzte stark, und bei jedem Ein- und Ausatmen schienen diese Poren sich auf eine Weise zu öffnen und zu schließen, die Caffarelli widerwärtig fand – wie Millionen mikroskopisch kleiner Münder, die krankhaft nach wer weiß welchen Stoffen gierten.
    Obwohl er nur wenige Zentimeter von ihm entfernt stand, schien der Musiker seine Gegenwart noch nicht bemerkt zu haben. Sein Kopf lag auf einem Brokatkissen, das Gesicht hatte er der anderen Bettseite zugewandt, die im Halbdunkel lag; die Hände, die, als wäre er bereits verstorben, auf der Brust gekreuzt waren, hielten die Tafel, die Achille ihm für die Beichte gegeben hatte. Caffarelli beschloss, sich zu vergewissern, ob der Musiker noch lebte, indem er ganz leicht an der Tafel rüttelte. Da erwachten diese unglaublich schmalen und langen Finger auf einmal zum Leben. Es war, als hätte eine riesige Spinne die Ankunft ihrer Beute bemerkt, weil diese durch ihre Befreiungsversuche das Netz in Schwingungen versetzte. In der Grabesstille, die im Zimmer herrschte, hörte Caffarelli überlaut, wie jene Finger die Tafel hinauf- und hinabkrabbelten. Das war mehr, als der Domherr ertragen konnte, und er beschloss, das Schweigen zu brechen, indem er das Wort an Paganini richtete.
    »Mein Sohn, wir müssen beginnen. Wann hast du zum letzten Male die Beichte abgelegt?«
    Bei diesen Worten erstarrten die Finger. So reglos lag Paganini da, dass man denken konnte, er sei tatsächlich bereits in ein besseres Leben übergegangen.
    Und da geschah das Grauenvolle.
    Langsam drehte Paganini Caffarelli den Kopf zu, heftete den Blick auf ihn, der von einer schaurigen Intensität war, und schenkte ihm ein böses, grausames Lächeln, wie Caffarelli es noch nie gesehen hatte – eine Inkarnation des Bösen. In Sekundenbruchteilen hatte sich die knochige, aber riesige linke Hand wie eine Fessel um Caffarellis Handgelenk geschlossen. Vor Schmerzen verzog der Domherr das Gesicht, denn Paganini zermalmte ihm regelrecht die Knochen, mit übermenschlicher Kraft, unvorstellbar bei einem Geschöpf, das noch eben so hilflos gewesen war. Nun stieß der mit offenen Wunden übersäte Mund einen schroffen, kehligen Laut aus, der Caffarelli zunächst wie das Knurren einer Bestie erschien, bis er erkannte, dass es sich um eine abscheuliche hebräische Lästerung handelte.
    »Sain al haKuss hamasriach schel halma hamechoeret schelcha!«
    Als Caffarelli, dessen Handgelenk im Klammergriff Paganinis bereits gebrochen und in einem unmöglichen Winkel verrenkt war, klarwurde, dass dieser Unglückliche gänzlich vom Teufel besessen war, schrie er laut um Hilfe.
    Seine Schreie riefen sofort die übrigen Anwesenden im Haus auf den Plan, doch noch während Caffarelli schrie, erkannte er, dass seine Hilferufe sich in das verzweifelte Flehen eines Mannes verwandelten, der, während er noch lebte, auf die andere Seite der

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