Die Violine des Teufels
persönlich diesem die Beichte abnahm. Da Caffarelli jedoch schlecht zugeben konnte, dass er gelauscht hatte, beschloss er, sich auf den Orden vom Goldenen Sporn zu berufen, nach dem Christusorden die zweithöchste Auszeichnung, die der Papst zu vergeben hatte. Er wurde an Personen verliehen, die sich darum verdient gemacht hatten, den katholischen Glauben zu verbreiten oder die Kirche zu preisen, sei es nun mit dem Schwert oder den Künsten. Niemand konnte sich erklären, wie es kam, dass der Papst einen Mann, der seinen Sohn außerehelich gezeugt hatte – Achille, die Frucht seiner Liebelei mit der Sängerin Antonia Bianchi, hatte Paganini erst nach Jahren anerkannt –, für würdig erachtete, diesen Orden zu erhalten. Als junger Mann hatte Paganini allerdings überall in Italien Hunderte von Konzerten in Kirchen gegeben.
Galvano, der ein wahrer Meister in der Kunst der Verstellung war, beschloss, sich seine Verärgerung über Caffarellis Worte nicht anmerken zu lassen.
»Mein Sohn, Paganini kann sich nur mit Hilfe von Kritzeleien auf einer Schiefertafel verständlich machen, und du weißt sehr gut, dass mein Sehvermögen in letzter Zeit stark nachgelassen hat. Ich kann das Risiko nicht eingehen, dass ich zu einem Sterbenden gehe und seine Beichte nicht lesen kann. Daher zeichne ich dich mit diesem Auftrag aus, und du solltest stolz darauf sein, denn wie du selbst gesagt hast: Du wirst einem Mann die Beichte abnehmen, der von unserem Heiligen Vater geehrt wurde.«
Caffarelli sah ein, dass er geschlagen war. Doch er konnte nicht vermeiden, dass ihm beim Gedanken an die grausigen Hände Paganinis ein Schauder über den Rücken lief. Ausgestreckt maßen sie angeblich fünfundvierzig Zentimeter und erinnerten an riesige weißliche Spinnen – Arachnodaktylie oder Spinnenfingrigkeit wird dieses Phänomen auch genannt. Voller Entsetzen dachte Caffarelli daran, dass er in Kürze diese von der Syphilis deformierten Hände würde berühren müssen, wenn er auf Stirn und Hände des Kranken das Kreuz zeichnete, während er die jahrhundertealte Formel sprechen würde: »Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes. Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf. Amen.«
Doch der gebieterische Blick des Bischofs bohrte sich in seine Augen und forderte ihn schweigend auf, den entsetzlichen Auftrag so rasch wie möglich zu erfüllen. Daher beschloss Caffarelli, sich unverzüglich in Begleitung des finsteren Paolo auf den Weg zu machen.
Sobald das imposante Tor des bischöflichen Palastes sich geräuschvoll hinter dem Domherrn geschlossen hatte, begann er zu Gott zu beten, der Musiker möge bereits in ein besseres Leben übergegangen sein, wenn er sein Haus erreichte.
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D unkelheit hatte sich bereits über die Bucht von Nizza herabgesenkt, welche auch die »Bucht der Engel« genannt wurde, wobei mit Engel nicht die himmlischen gemeint waren, sondern die Engelhaie, die die Gewässer dort verseuchten, eine kuriose Knorpelfischart, die eher den Rochen als den herkömmlichen Haien gleicht. Es herrschte abnehmender Mond, und Caffarelli konnte in der Ferne kaum die Segel der im Hafen von Nizza vertäuten Schiffe erkennen; sie wirkten wie beunruhigende Meeresgeister, die über den warmen Gewässern der Riviera schwebten.
Der Domherr und sein Gehilfe wechselten unterwegs nicht ein Wort miteinander. Allerdings traf Paolo ein tadelnder Blick, als er ganz kurz stehen blieb, um den schwellenden Busen einer Dirne zu bewundern, die ihm Komplimente zugerufen hatte, als er an ihr vorüberging.
Paganinis Haus war nicht eben prunkvoll, und die Tür verfügte nicht einmal über einen Türklopfer, was Caffarelli daran erinnerte, dass der Musiker in finanzieller Hinsicht gerade keine besonders gute Zeit erlebte. Falls der Geiger tatsächlich in den Musikinstrumentenhandel eingestiegen war, dann trug das Geschäft ihm nicht den erhofften Gewinn ein.
Nachdem der stämmige Messdiener zwei Mal kräftig an die Tür geklopft hatte, wurden sie von einer betagten Frau hereingebeten, die wohl die Haushälterin war, auch wenn Caffarelli nicht ein einziges Wort ihrer Begrüßung verstand, denn die Alte sprach den unverständlichsten Nizzaer Dialekt, den der Domherr je gehört hatte.
»Mangoldkackerin«, flüsterte Paolo Caffarelli ins Ohr, als er die Ausdrucksweise der guten Frau hörte.
Bei dieser Beleidigung, mit der
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