Die Violine des Teufels
zahlreiche Karikaturen des Geigers auf, denn seine maßlosen Gebärden, seine grotesken Gesichtszüge und seine zugleich ungraziöse und elegante Gestalt stellten ein gefundenes Fressen für die zeichnende und malende Zunft dar.
Doch inmitten all dieses Gepränges ragte – wie ein kostbarer Edelstein inmitten von billigem Tand – das großartige Porträt heraus, das der Maler Eugène Delacroix in den achtzehnhundertdreißiger Jahren von Paganini gemalt hatte.
Obwohl es für ein Ganzkörperbildnis in Öl vergleichsweise klein war – das Gemälde maß fünfundvierzig mal dreißig Zentimeter –, war es unbestreitbar faszinierend. Vor einem neutralen Hintergrund trat die Gestalt des feurigen Teufelsgeigers, der sein Instrument spielte, umso stärker hervor – als wäre ein Scheinwerfer auf seine verhärmte Gestalt gerichtet.
Caffarelli bemerkte, dass der Musiker auf Delacroix’ Gemälde, anders als auf den übrigen Porträts von Paganini, den Betrachter nicht aus seinen hohlen, fiebrigen Augen ansah, sondern den Blick gesenkt und die Augen halb geschlossen hatte, was den Eindruck vermittelte, er sei vollständig auf die Musik konzentriert, die er in diesem Augenblick spielte.
Der Messdiener stieß Caffarelli leicht mit dem Ellbogen an, um seine Aufmerksamkeit auf eine andere Ecke des Raums zu lenken, in der verschiedene Musikinstrumente hingen, darunter auch die fantastische Stradivari, die Pasini, ein Landschaftsmaler aus Parma, Paganini nach einer berühmten Wette geschenkt hatte. Der verrohte, habgierige Blick, mit dem der Messdiener jene Juwelen des Instrumentenbaus begaffte, gefiel Caffarelli gar nicht, und er bedeutete ihm mit einer energischen Geste, er solle lieber die Utensilien, die für das Sakrament der Letzten Ölung benötigt wurden, auspacken.
Das Bett, in dem Paganini eigentlich liegen sollte, war leer – so schien es dem Domherrn und seinem Gehilfen jedenfalls zunächst. Paganini war so ausgetrocknet und hatte derartig an Gewicht verloren, dass er die Bettdecke kaum ausbeulte und in seiner geräumigen Bettstatt beinahe nicht zu sehen war. Der Domherr fragte Achille: »Mein Sohn, wo ist dein Vater?«
Anstelle einer Antwort trat der junge Mann ans Bett, zog die Bettdecke halb herab, so dass ein mitleiderregend gebrechlicher kleiner Leib zum Vorschein kam, in ein weißes Nachthemd gehüllt, auf dem getrocknete Blutflecken zu sehen waren. Wie Caffarelli es sich gedacht hatte, hatte die Syphilis im Gesicht und an den Händen des Musikers ihre Spuren hinterlassen. Da waren überall offene Wunden auf der vom Alter und den Leiden der letzten Jahre faltig gewordenen Haut.
»Er nimmt seit langem Quecksilber«, teilte Achille ihnen mit. »Das wurde ihm gegen die Syphilis verschrieben, aber es ist offensichtlich, dass das Heilmittel schlimmer als die Krankheit ist. Sehen Sie ihn doch an, meinen armen Vater: Er hat alle Zähne verloren, und daran ist nur dieses verfluchte Metall schuld.«
Ein abrupter, lang anhaltender Hustenanfall des Sterbenden unterbrach Achille. Dann konnte er fortfahren.
»Der Husten war in den letzten Jahren ein weiterer ständiger Begleiter. Um dem entgegenzuwirken, riet man ihm zu Opium, aber noch schlimmer ist die ständige Einnahme von Abführmitteln jeder Couleur, von denen er abhängig wurde. Er sagte immer, sie dienten dazu, die verborgenen Gifte aus seinem Körper auszutreiben.«
»Wo ist der Arzt?«, fragte Caffarelli befremdet, als er sah, dass der arme Teufel völlig sich selbst überlassen war.
»Der vergnügt sich vermutlich im großen Stil in irgendeinem Bordell der Stadt«, erwiderte der Sohn bekümmert. »Er kam heute Morgen, um nach meinem Vater zu sehen, und da er ihn nicht zur Ader lassen konnte, weil in seinen Adern kein Tropfen Blut mehr zu finden ist, erklärte er, er könne nichts mehr für ihn tun, und sagte mir, ich solle den Bischof rufen, damit er ihm die Letzte Ölung spendet.«
Während die beiden sich unterhielten, hatte der Messdiener einen kleinen Tisch an Paganinis Bett gestellt, den ihm die Haushälterin gegeben hatte, und ihn mit einem makellos weißen Leinentuch bedeckt. Darauf legte er nun ein Kruzifix, daneben stellte er zwei Wachskerzen, dazu ein Schälchen mit geweihtem Wasser und ein Palmzweiglein, das als Weihwedel fungieren sollte. Nachdem Paolo die Kerzen entzündet hatte, bat er die Haushälterin, noch ein Glas Wasser auf den Tisch zu stellen, dazu einen Löffel und eine saubere Serviette.
Caffarelli kniete sich vor das
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