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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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Und dann ist da noch etwas – etwas, weswegen ich sicher noch viele Jahre lang Gewissensbisse haben werde.«
    Fassungslos senkte Perdomo den Kopf, und Milagros hatte den Eindruck, wenn sie ihn jetzt nicht zum Weitersprechen ermunterte, würde er nicht den Mut aufbringen, sich das, was auf ihm lastete, von der Seele zu reden. Daher streichelte sie sanft seine Hand, und er merkte, dass dieser Körperkontakt ihn tatsächlich anspornte, ihr sein Herz auszuschütten.
    »Wie gesagt, Larrazábals Vater hatte mir das Ritual des Seppuku genau beschrieben, so dass ich an einem bestimmten Punkt Rescaglios Selbstmord womöglich hätte verhindern können, aber ich habe nicht reagiert. Als ihm klarwurde, dass er das Flugzeug nicht würde besteigen können, beschloss er, sich nach japanischer Art das Leben zu nehmen, weil er seine Kindheit in Osaka verbracht hatte, und das japanische Ritual sieht vor, dass der Selbstmörder ein Gedicht schreibt, bevor er sich das Tantō in den Leib rammt. Rescaglio war kein Dichter, sondern Musiker, deshalb hat er sich dafür entschieden, Der Schwan zu spielen, statt etwas zu schreiben. Das war sein Schwanengesang, oder wenn dir das lieber ist, sein Zeppitsu.«
    So – oder auch Yuigon – heißt das Abschiedsgedicht, das die Samurais in den letzten Augenblicken vor dem Selbstmord schrieben und in dem sie die Gedanken und Gefühle zusammenfassten, die sie in diesem Augenblick hatten. Die beiden japanischen Bezeichnungen bedeuteten mehr oder weniger das Gleiche: »letzter Pinselstrich oder letzte Erklärung, die jemand hinterlässt«.
    »Da habe ich den Zusammenhang noch nicht hergestellt, logisch«, fuhr Perdomo mit seinen Erklärungen fort, »aber dann hat Rescaglio etwas getan, was bei mir sämtliche Alarmglocken hätte läuten lassen müssen: Don Íñigo, Larrazábals Vater, hatte mir auch erzählt, dass die alten Samurais das Tantō in ein Stück Reispapier wickelten, denn mit blutüberströmten Händen zu sterben, galt als Entehrung. Als Rescaglio das Cello im Koffer verstaute, zog er den Stachel heraus und wickelte ihn in das ein, was er gerade zur Hand hatte: sein Taschentuch. Das kam mir so merkwürdig vor, dass ich beinahe reagiert und ihm sofort Handschellen hätte anlegen lassen. Aber aus irgendeinem Grund habe ich das nicht getan, und das hat ihm die Zeit gegeben, sich den Bauch aufzuschneiden. Da war ein Augenblick, in dem ich geahnt habe, dass er Selbstmord begehen wollte, und ich habe nichts dagegen unternommen.«

    Milagros hatte ihre Hand die ganze Zeit über nicht fortgenommen. Nun drückte sie liebevoll Perdomos Hand, und er erwiderte die Geste.
    »Es ist absurd, dass du dir die Schuld gibst«, sagte sie. »Zum einen, weil jemand, der sich wirklich das Leben nehmen will, es früher oder später sowieso tut. Wenn Rescaglio nicht am Flughafen Selbstmord begangen hätte, hätte er es vielleicht vierundzwanzig Stunden später in der Arrestzelle des Gerichts getan. Und außerdem war der Tod für jemanden wie ihn, der kein gewöhnlicher Mörder war, möglicherweise der bestmögliche Ausweg. Also sieh dich nicht als die Person, die ihm hätte helfen können und es nicht getan hat, sondern als denjenigen, der es ihm ermöglicht hat, sich für immer mit seiner Geliebten zu vereinigen.«
    Just in diesem Augenblick läutete die Türklingel und kündigte den nächsten Patienten an, und dafür war Perdomo zutiefst dankbar, denn ansonsten – davon war er überzeugt – wäre dies aller Wahrscheinlichkeit nach der Beginn einer Liebesbeziehung gewesen.

58
    Madrid, ein Jahr nach dem Verbrechen
    W ie spät ist es denn?«, fragte Gregorio vom Rücksitz des Geländewagens. Am Steuer saß Elena Calderón.
    Perdomo, der auf dem Beifahrersitz saß, sah nicht einmal auf die Uhr, denn das hatte er auf Wunsch seines Sohnes in den vergangenen zehn Minuten schon mehrfach getan.
    »Wir haben reichlich Zeit, Gregorio. Nerv nicht«, erwiderte er und versuchte, die beschlagene Windschutzscheibe freizuwischen.
    Draußen begann es zu regnen. Die drei hatten einen Tagesausflug in den Bergort Quijorna unternommen, in ein Ferienhaus von Elenas Eltern, wo sie den ausgezeichneten Eintopf der Gegend gekostet hatten. Nun waren sie unterwegs ins Auditorio Nacional, wo sie ein Konzert der Japanerin Suntori Goto zusammen mit dem Spanischen Nationalorchester unter der Leitung des neuen Chefdirigenten besuchen wollten. Joan Lledó war nahegelegt worden, von seinem Posten zurückzutreten, nachdem die Presse

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