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Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition)

Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition)

Titel: Die Violine von Auschwitz: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Àngels Anglada
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ihnen stellte die Vermutung an, man würde sie vielleicht in ein kälteres Lager im Norden deportieren, er hatte bemerkt, dass die Jacken dick und gut gefüttert waren, aber diese Theorie schien ihnen allen absurd. Wann hatten sich die Schweine jemals um ihre Gesundheit Gedanken gemacht?
    Daniel zerbrach sich nicht weiter den Kopf und kehrte mit dem anderen Tischler, der ebenfalls in die Schneiderbaracke geschickt worden war, an seine Arbeit zurück.
    Am nächsten Tag erschien ein Untersturmführer, der als besonders grausam verschrien war, in Begleitung eines SS-Mädchens, und es wurde ihnen befohlen, sich Schuhe und die neuen Kleider anzuziehen. Die beiden waren frühmorgens überraschend in die Werkstatt gekommen – es war noch nicht einmal richtig hell -, hatten hier und da etwas zurechtgerückt und befahlen nun den neu eingekleideten Häftlingen zu gehorchen, ohne Fragen zu stellen. Eine der Anordnungen war allerdings sehr schwierig zu befolgen: Sie sollten, kaum waren sie zurechtgemacht und ihre Gesichter geschminkt, so tun, als würden sie in Freiheit arbeiten: »Jetzt lächeln«, sagte der SS-Mann, »sonst seht ihr die Kartoffeln von unten wachsen.«
    Das war eine gängige Ausdrucksweise, um auf die Toten anzuspielen. Zweifellos brauchten sie Fotos für ihre Propaganda, schließlich hatten sie schon einige Male Filme gedreht, die die Sachlage verfälschten – frei nach dem Motto: Die Lagerinsassen arbeiten glücklich und zufrieden oder Jedem die Arbeit, die ihm Spaß macht. Daniel fühlte Zorn in sich aufsteigen, und er spürte, wie sein Gesicht unter der Schminke rot anlief. Der SS-Mann grinste und schwang den Knüppel. Damit dieser nicht auf sie niedersauste, rangen sich die beiden Häftlinge ein Lächeln ab, soweit sich ihre geöffneten Lippen und ihre vor Schrecken weit aufgerissenen Augen als solches bezeichnen ließen. Die junge Frau porträtierte sie in verschiedensten Posen, und sie entgingen den Schlägen um den Preis der Selbsterniedrigung – welch doppelte Bitterkeit!
    »Ausziehen«, hieß es dann, und die Fotografin und der Mann lachten, während sie auf die abgemagerten Körper deuteten.
    Schweigend streiften sie sich die alten Kleider wieder über. Sie waren der Strafe entgangen, doch hatten sie zur Belohnung nicht einmal ein wärmendes Kleidungsstück behalten dürfen. In den alten Fetzen und mit den Holzschuhen an den Füßen kehrte Daniel an seinen Arbeitsplatz zurück. Es fiel ihm schwer, seine Hände zitterten noch vor Aufregung; die erlittene Demütigung, das erzwungene Lächeln, das er den Feinden dargeboten hatte, quälten ihn. Er wusste nicht, wie lange er noch in der Lage sein würde, unter diesen Bedingungen zu arbeiten, obwohl er jung war und sein Lebenswille noch nicht verwelkt. Zu seinem großen Erstaunen reichte ihm der Aufseher den Rest seines Biers. Also waren die beiden auch ihm verhasst gewesen und die Komödie mit den Fotos ihm ebenso nahegegangen. Daniel trank gierig und bedankte sich; dann presste er seine Hände zwei- oder dreimal kräftig zusammen und bekam schließlich das Zittern in den Griff.
    Seine Gedanken kehrten zur Geige zurück. In den letzten Tagen hatte er den Boden und den Zargenkranz fertiggestellt, und nun begann er, mit einem kleinen Hammer auf die winzigen Keile zu klopfen, die den Boden am Modell befestigten. Da er umsichtigerweise bloß zwei Tropfen Knochenleim aufgetragen hatte, konnte er ihn nach kurzer Zeit ohne Schwierigkeit lösen. Das entschädigte ihn für die schrecklichen Fotoaufnahmen; er atmete tief durch, war zufrieden, diese vollendete Form in Händen zu halten. Er hatte sich auf keinerlei Experimente eingelassen, die Außenmaße entsprachen exakt der Norm, die er auswendig wusste; er überprüfte sie nochmals: 335 Millimeter lang, die Brüste (wie er zu sagen pflegte) 165, die Taille 115, die Schenkel 205. Er streichelte das geliebte Instrument, diese Geige, die ihn vielleicht retten würde, sobald er die Handgriffe, die noch fehlten, ausgeführt hatte: das Einlassen der Flödel, der Wirbelkasten, die letzten Arbeiten am Hals, das Einsetzen des Stimmstocks … Viele kleine Schritte, und am Ende, bevor er die Teile zusammenfügte, die Auswahl des geeigneten Lacks. Noch war er allerdings weit von diesem Punkt entfernt.
    Als die Sirene schrillte, bedauerte er es, dass ihm keine Zeit mehr blieb, die Verstärkungen der Zargen anzufertigen oder mit dem Polieren zu beginnen. Er konnte es jedoch nicht riskieren, die Mahlzeit auszulassen, und

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