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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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gesprochen. Mußte man sich jetzt dafür schämen? Sollte man Vannoni ankreiden, daß er von den Toten auferstandenwar? War diese alte Geschichte denn immer noch nicht vorbei?
    »Fünfzehn Jahre sind eine lange Zeit«, sagte Angelo Sgreccia. Auch für ihn waren fünfzehn Jahre vergangen. Bei Elena und Sgreccia, die keine eigenen Kinder hatten, war Vannonis Tochter Catia damals untergekommen. Sie hatten sie aufgezogen, so gut es eben ging. Sie hatten sie aufwachsen sehen. Fünfzehn Jahre lang. Catia war ihr Kind geworden. Sie liebten sie, und daß sie schwierig war und immer verschlossen blieb, hatte daran nichts geändert.
    »Dafür, daß er seine Frau umgebracht hat, sind fünfzehn Jahre gar nichts«, sagte Ivan. »Heutzutage lebst du im Knast wie ein König. Drei feste Mahlzeiten, viel Ruhe, Sportmöglichkeiten. Du kannst am Sonntag in die Messe gehen, kannst irgendwelche Kurse besuchen und hast sogar einen Fernseher.«
    »Ich bin gespannt, was er jetzt unternimmt«, sagte Franco Marcantoni.
    »Arbeit wird er nicht so schnell finden«, sagte Paolo Garzone.
    »Das meinte ich nicht«, sagte Marcantoni. Mit seiner knochigen Hand goß er sich ein halbes Glas Wein mit Sprite auf.
    »Ich an seiner Stelle ...« Ivan brach mitten im Satz ab. Um die Ecke der Kapelle bog Giorgio Lucarelli. Er nickte den Frauen am Eingang der Bar zu und zwickte die quengelige Paty liebevoll in die Wange. Dann schlenderte er langsam auf den Tisch zu, zog sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf fallen. Er verhielt sich keinen Deut anders als sonst, aber diesmal schien es den anderen, als habe soeben ein Schauspieler die Bühne betreten.
    »Habe ich einen Durst!« sagte er. In sein Gesicht hatten Sonne und jahrelange Feldarbeit Furchen gezogen. Noch immer sah er gut aus, zäh, drahtig, doch auch ihm begann man seine vierzig Jahre anzumerken.
    Paolo Garzone schenkte ein Glas ein und schob es quer über den Tisch.
    »Und? Was gibt es Neues?« fragte Lucarelli.
    Neu war, daß Vannoni zurückgekehrt war. Das konnte Lucarelli nicht entgangen sein. Und hatte nicht Vannoni beim Prozeß unumwunden zugegeben, daß er auch ihn erschossen hätte, wenn er die Gelegenheit dazu bekommen hätte? Jetzt hatte er die Gelegenheit.
    »Wir sprachen gerade über ...«, sagte Paolo Garzone zögernd.
    »... über die Vipern«, fiel Ivan ein. »Unten bei Madonna del Piano hat es einen Hund von Luigi dem Schäfer erwischt. Der Hund steckt die Schnauze ins Gebüsch, und zack! Eine rabenschwarze Viper, gar nicht mal groß.«
    »Das ist die Gluthitze«, sagte Marcantoni, »die macht sie aggressiv.«
    »Und giftiger«, sagte Sgreccia. »Die sind wie aufgeladen. Vom Kopf bis zur Schwanzspitze pures Gift, nichts als Gift.«
    Wenn er ein anderes Gesprächsthema erwartet hatte, ließ es sich Lucarelli nicht anmerken. Und doch mußte er spüren, daß die anderen ihm auswichen, sei es aus Rücksichtnahme, sei es aus Unsicherheit. Lucarelli kippte den Wein hinunter und griff nach der Flasche. Sie war leer.
    »Luigi hat den Hund sofort ins Auto gepackt. Nicht einmal eine Viertelstunde hat es gedauert, bis er die Spritze bekommen hat, aber es war nichts mehr zu machen«, sagte Ivan.
    »Ich bin jetzt über siebzig Jahre alt«, sagte Marcantoni, »aber so schlimm wie heuer war es noch nie. Die sind überall. Unter jedem Stein eine Viper. Man könnte glauben, die Erde selbst speie Gift.«
    Lucarelli stand auf und sagte: »Ich gehe. Habe Besseres zu tun, als mir euer Geschwätz über Schlangen anzuhören. Als ob die Welt unterginge, bloß weil ein Hund verreckt ist.«
    Er warf zwei Tausend-Lire-Scheine auf den Tisch und verschwand.
    Ivan steckte das Geld ein und sagte: »Giorgio ist heute nicht gut drauf.«
    »Gar nicht gut«, sagte Paolo Garzone.
    »Mmh«, sagte der alte Marcantoni.
    »Im vierten Monat?« fragte Matteo Vannoni entgeistert. »Warum hast du mir nicht geschrieben?«
    »Ich sage es dir ja jetzt«, sagte Catia. Sie trug Jeans und ein weißes T-Shirt. Man sah noch nichts.
    »Herrgott im Himmel, du bist siebzehn!« sagte Vannoni.
    Catia sagte nichts. Sie starrte auf den Fernseher. Dort lief das »Telegiornale«. Die Bilder zeigten eine ausgebrannte Limousine hinter einer Polizeisperre. Der x-te Bombenanschlag auf einen Richter in Palermo. Die Bilder waren in Farbe, doch sonst glichen sie zum Verwechseln denen, die seit fünfzehn Jahren immer wieder in Vannoni abliefen. Ein Schlachtfeld, in das die Polizisten wie Geier eingefallen waren.
    »Und?« fragte Vannoni.

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