Die Virus-Waffe
Er stellte einen sperrigen, strapazierfä-
higen Tragebeutel auf den Tisch. »Da drin sind Murphys
Handys und sein Notebook, für den Fall, dass Sie Hicks die
Mails zeigen müssen, die Sie mit Nicholson ausgetauscht
haben. Außerdem finden sich vielleicht noch andere In-
formationen, die Ihnen nützen könnten.
Steins Aktenkoffer nehme ich mit. Unsere Jungs sollen
das Notebook untersuchen. Vielleicht finden sie ja was
Brauchbares auf der Festplatte. Anschließend werde ich es
konfiszieren. Es wird Zeit, dass ich meinen eigenen Com-
puter bekomme. Stein hatte auch ein besseres Handy als
das, was ich in England benutzt habe. Schreiben wir es als
Kriegsverlust ab.«
704
British Airways 747, Direktflug Baltimore-London
Heathrow, über dem Atlantik
Der Film im Flugzeug war Mist. Richter hatte ihn bereits in
der Offiziersmesse der Invincible gesehen. Das schien schon eine halbe Ewigkeit her zu sein. Das Menü war auch nicht
viel besser. So ziemlich das einzig Essbare war das gebutterte Brötchen gewesen. Nachdem die mürrische Stewardess sein
Tablett abgeräumt hatte, versuchte Richter zu schlafen.
Das gelang ihm auch nicht, und nachdem er eine halbe
Stunde versucht hatte, eine gemütliche Position zu finden,
was in der Economy-Klasse so gut wie unmöglich war, gab
er auf, nahm Steins Aktenkoffer aus der Gepäckablage und
klappte ihn auf. Er hatte eigentlich vorgehabt, mit dem
Notebook des Toten herumzuspielen. Richter war keines-
wegs so ahnungslos, was Computer anging, wie er ge-
wöhnlich vorgab. Aber als er den Deckel des Aktenkoffers
anhob, fiel ihm etwas ins Auge.
Aus einem der schmalen Dokumentenfächer ragte die
Ecke eines Papierbogens hervor. Richter zog ihn heraus und
faltete ihn auf. Es waren sechs Blatt bedrucktes Papier, die an einer Ecke zusammengeheftet waren. Auf dem obersten
Blatt sah er das unverwechselbare dunkelblaue CIA-Siegel,
den Weißkopfseeadler, der über dem weißen Schild
schwebte, und den Kompass mit den sechzehn Spitzen. Die
Klassifizierung prangte in Rot in der Kopf- und Fußzeile je-
der Seite: ULTRA SECRET. Außerdem stand noch ein Vor-
behalt darunter: »NUR FÜR CAIP-MITARBEITER«.
Er wusste, noch bevor er die erste Seite überflogen hatte,
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was das für ein Dokument war und woher es stammte. Es
war die Zusammenfassung der Ziele, der Durchführung
und des Vorgehens bei der Operation CAIP. Krywald oder
Stein hatten sie offenbar aus der Akte entfernt, und Richter konnte sich denken, warum.
Das hier war Dynamit, und zwar mit so viel Spreng-
kraft, dass es die Central Intelligence Agency vollstän-
dig erledigen konnte. Und der einzige lebende Mensch,
der jetzt noch von seiner Existenz wusste, war Paul
Richter.
Mittwoch
Hammersmith, London
Richard Simpson blätterte langsam um, während er das
Dokument jetzt zum dritten Mal las. Dann ließ er es auf
seinen Schreibtisch sinken und starrte Richter an.
»Woher haben Sie das?«, erkundigte er sich.
»Eigentlich ist es mir in den Schoß gefallen«, antwortete
Richter. »Ich habe den Aktenkoffer dieses CIA-Agenten
namens Richard Stein mitgenommen, weil er sich für den
Transport des Notebooks so gut eignete. Ich hatte keine
Lust, die ganze Zeit auf dem Flug von Baltimore diesen
schrecklichen Spielfilm zu sehen, also wollte ich ein biss-
chen mit dem Notebook herumspielen. Als ich den Koffer
aufmachte, ragte eine Ecke des Dokumentes aus einem
Fach heraus. Das ist alles.«
Simpson senkte den Blick und stieß ein paar Mal vor-
sichtig mit dem Finger gegen die Blätter. »Und was soll ich
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Ihrer Meinung nach jetzt damit machen?«, fragte er.
»Etwas lässt mir keine Ruhe«, erklärte Richter, »und
zwar seit dem Augenblick, an dem Nicholson uns sagte,
worum es sich bei CAIP handelte. Nämlich was die CIA
mit den Beweisen macht. Selbst John Westwood wirkte
vollkommen bestürzt angesichts der möglichen Konse-
quenzen für die Firma, und ich wette, dass es eine sehr
mächtige Fraktion innerhalb der CIA gibt, die diese Sa-
che möglichst vertuschen will.«
»Sie könnten Recht haben«, erwiderte Simpson. »Wenn
das an die Öffentlichkeit dringt, würde das der amerikani-
schen Regierung ungeheuren Schaden zufügen. Und ich
wüsste nicht, wem das heute noch nützen sollte. Es gibt
AIDS, das ist eine Tatsache. Ob jemand das Virus künst-
lich erzeugt hat oder ob es irgendwo aus dem afrikani-
schen Regenwald gekrochen ist, halte ich für in hohem
Maße
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