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Die Vision

Die Vision

Titel: Die Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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– ich werde wohl niemals wieder jemand Englisch sprechen hören. Sagt bitte meinen Freunden, daß ich wie eine Königin lebe. Nein – besser als eine Königin. Von solchem Reichtum, wie ich ihn hier gesehen habe, könnte eine Königin in England nur träumen. Sagt ihnen, daß ich jetzt eine Dame bin, daß ich Truhen und Diener und einen Schoßhund habe.«
    »Nehmt Euch gut in acht.« Wie fremd ihr Gesicht jetzt in der prachtvollen Umgebung wirkte. »Ihr seid durch Männergunst rasch aufgestiegen, und mir ist zu Ohren gekommen, daß die Frauen hier Giftmischerinnen sind. Ihr solltet Euch Katzen halten wie die dunkle Dame.«
    »Katzen?« Sie lachte, und der Laut trug ihr noch mehr neugierige Blicke von der Menge ein, die nichts verstand. »Die taugen für Hexen. Ich habe meine kleinen Hunde. Das ist schon der dritte. Wir sind vielleicht nicht so gerissen wie diese Fremden, Lady, aber wir englischen Dorfmädchen sind gewitzt – und lernen schnell.«
    »Wir? Dann hast du also Bescheid gewußt?«
    »Von Anfang an. Das habe ich an Euren Versprechern gemerkt. Ihr seid auch nicht da geboren, wo Ihr jetzt seid. Daran und an Eurem weichen Herzen. Ihr habt mich doch auf diesen Gedanken gebracht. Ich leide nicht umsonst, habe ich mir immer wieder gesagt. Das kann mir einst nützlich sein. Aber Ihr habt den besseren Mann. Da«, sagte sie und suchte in ihren Gewändern. »Ein Geschenk. Das soll Euch auf der Reise Glück bringen. Ich habe es vom Papst segnen lassen, und obendrein noch von meinem Kardinal.« Sie hielt mir ein kleines, versilbertes Medaillon an einer Kette hin und beobachtete mein Gesicht, als ich ihr dankte. Sie hat sich schon neue Gepflogenheiten zugelegt, seit sie dieses gefährliche Spiel unter Fremden mitspielt, dachte ich. Und sie und ich, wir beide wußten, daß sie sich von mehr verabschiedete als von uns. Eines Tages, vielleicht schon bald, würde sie sich den Luxus eines aufrechten Herzens nicht mehr leisten können. »Ich wußte, Ihr würdet es nicht verschmähen«, sagte sie, als ich es nahm. »Denkt zuweilen an mich.« Und dann bedeutete sie ihren Männern aufzubrechen und schloß die Vorhänge. Ich sah, wie die Sänfte vor Hugos Pferd anhielt. Die Vorhänge öffneten sich kurz, sie nickte wie eine große Dame und ließ Hugo hochrot und wutschnaubend zurück.
    »Nein, wer hätte das gedacht?« Gregory folgte der Sänfte mit den Augen und schob sich auf seinem Klepper dichter an mich heran. Er ritt eines der Sänftenpferde und führte das andere am Halfter. Sie boten einen schönen Anblick, die drei, denn alle waren sie gleichermaßen knochig. Und das umfängliche Samtwams und die wollene Bruch des Comte de St. Médard schlotterten an ihm. Wenn er nicht so vornehm zu Pferd gesessen hätte, man hätte ihn glatt für einen Spielmann in den abgelegten Kleidern seiner Herrschaft halten können.
    »Sie hat uns ein Geschenk gemacht. Binde du es um, bitte. Ich habe schon einen Talisman und komme mir mit mehreren Ketten albern vor.«
    »Hm. Die Jungfrau Maria. Wenn man bedenkt, woher es kommt, dürfte es etwas zu bedeuten haben, ich weiß nur nicht recht, was«, sagte er und wölbte eine dunkle Braue. »Doch wer bin ich, daß ich einen Reisesegen verschmähe. Der Himmel weiß, oft hat man mich bislang nicht gesegnet.« Und damit hängte er sich das kleine Medaillon um.
    Wir kamen nur langsam voran, denn wir mußten uns nach dem Tempo der Schleppkähne richten. Vor und hinter den Ochsengespannen verteilte sich die Reisegesellschaft am Ufer, vorneweg und hinten die Reisigen, welche auch die Flanke der hohen Würdenträger deckten. Als die Sonne auf uns herabbrannte, boten Hilde und mir nicht einmal mehr unsere großen Strohhüte Schutz. Ich merkte, daß Gregory mich jetzt immer so besorgt ansah.
    »Der Schweiß rinnt dir in Strömen übers Gesicht, Margaret, und du bist ganz rot. Du solltest im Schleppkahn fahren und nicht reiten.«
    »Das ist völlig unwichtig, Gregory – wenn man schwanger ist, setzt einem die Hitze einfach mehr zu. Aber – sind schon Sommersprossen zu sehen?« Er musterte mich prüfend.
    »Nur ein paar. Auf deiner Nase.«
    »Oh, heilige Muttergottes, doch nicht etwa viele?«
    »Ei, tausend und abertausend, Margaret. Doch keine Bange, es sind sehr hübsche.«
    »Wenn das nicht gemein ist! Ich werde Hilde fragen, wieviele Sommersprossen ich schon habe. Was wieder einmal beweist, daß kein Verlaß auf Männer ist, wenn es wirklich darauf ankommt.«
    »Aber ja doch, und um es dir zu beweisen,

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