Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
ist heikel.«
Van Geldern nickte abwartend, ob nicht vielleicht Birckmann durch weitere Worte einige seiner Geheimnisse – oder das, was er dafür hielt – preisgeben würde. Der Arzt und Verleger Birckmann, ein Antwerpen- und Englandhändler wie er, war ein Mann nach seinem Geschmack. Berechnend, ganz auf seinen Vorteil bedacht und von kühlem Gemüt. Kein religiöser Schwärmer, kein Glaubensfanatiker wie es zur Zeit so viele gab, die sich und andere in Gefahren brachten.
Birckmanns magenstärkendes Ingwerpulver war bei Elisabeths engstem Ratgeber, dem Staatskanzler William Cecil, so beliebt, daß die Birckmannschen Druckerzeugnisse ohne Kontrolle der englischen Zensurbehörde in London ausgeliefert werden konnten. Eine stolze Leistung für einen Kölner Verlag, der für sein gutkatholisches Schrifttum berühmt war und im protestantischen England ohne Protektion längst hätte scheitern müssen. Zu diesem Zweck benutzt, war die Medizin ein heilsamer Segen. Und ein preiswerter. Van Geldern seufzte in Gedanken an die hohen Bestechungssummen, die er zahlen mußte, um in London unbehelligt mit Stahl handeln zu können, der von billigerer englischer Ware bedroht war.
Birckmann plauderte im geschmeidigen Ton des hoferfahrenen Menschen weiter. »Man sagt, in den Niederlanden lauern an jeder Ecke die elenden Zaunprediger vom neuen Glauben. Die Flamen folgen ihnen wie der Faden dem Weberschiffchen. König Philipp hat wohl klug daran getan, im Oktober dort die Inquisition einzuführen. Die Niederlande sind ein gefährliches und ein gefährdetes Land.«
»Und ein geschäftiges Land. Die Flamen zählen selbst im Traum noch die Dukaten. Sie lassen mechanische Webstühle laufen und setzen ihre vierjährigen Kinder daran. Der Handel ist ihnen heilig, sie werden sich besinnen«, warf van Geldern ein, der Gespräche über die Religion haßte. Als geborener Flame tat er gut daran, sich aus dem Streit zwischen Bibel und Meßbuch herauszuhalten, zumal erst im letzten Sommer in seinem Weingarten nahe der Severinstraße siebenundfünfzig Wiedertäufer entdeckt und verhaftet worden waren. Und das just zu dem Zeitpunkt, als seine jüngste Tochter dort eingekehrt war. Eine lästige Geschichte.
Der Arzt neben ihm lächelte still und verstand. »Das Geschäft heilig, van Geldern? Ich möchte wohl hoffen, daß es vor allem der Glaube und die einige und einzige Kirche sind, die unseren Nachbarn heilig ist.« Er pausierte kurz, seine Mundwinkel zuckten in mildem Spott. »Heilig wie uns selbst.«
»Gewiß«, versicherte sein Gegenüber lau, »nichts gegen die Religion, die einige und einzige. Ich selbst stifte der Kirche genug und habe eben erst wieder einen großen Ablaß erworben für bald fünfzig Goldgulden.«
»Ich sah den Zettel darüber im Fenster Eures Kontors hängen, ein hübscher Beweis für Eure Frömmigkeit, das gefällt den heimischen Kunden«, bestätigte Birckmann. »Keiner kann an Eurer Gottesfurcht zweifeln. Ich selbst habe dieser Sache im Juni letzten Jahres nie ...«
»Mich dünkt«, unterbrach ihn van Geldern mit ungeduldiger Kopfbewegung, die die goldene Kette auf seinem Barett klirren ließ, »daß nicht nur die neue Religion die Köpfe der Flamen und Brabanter verwirrt. Bedenkt die große Teuerung im Land der Scheide. Ein Ei, so heißt es, kostet in Antwerpen heute so viel wie eine Henne am vergangenen Martinstag, dazu die immer neuen Steuern der Spanier und die schlechten Ernten. Das Volk ist unruhig und läuft aus den Dörfern, die Wölfe ziehen ein, und ihnen nach die neuen Prediger. Sie nutzen die Angst und den Zorn der Leute, um sie für ihren Gott zu gewinnen.«
»Es ist ein ekle Hefe, die dort gärt«, stimmte Birckmann ernst zu. »Not und religiöse Verwirrung sind gefährliche Geschwister. Wir haben nach Luther gesehen, wozu das führt, zu Spaltung und Unfrieden. Philipp hat recht, wenn er sagt, daß der Aufstand gegen die Religion immer im Aufstand gegen die Fürsten endet.«
»Gewiß, gewiß, aber darum die Inquisition bei einem freiheitsliebenden Volk wie den Flamen in aller Schärfe einzuführen, ist das klug?« fragte van Geldern leise, »Feuer, Eisen und Grab – so heilig sie sind – verhärten die Menschen. Was, wenn die niederländischen Fürsten, wie einige unserer deutschen, die Gunst der Stunde nutzen, die neue Religion annehmen, und das Volk gegen die spanische Herrschaft aufwiegeln?«
»Ein Bürgerkrieg wäre zweifelsohne die Folge«, schloß Birckmann trocken, »und unsere Geschäfte
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