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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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wären dahin. Wir würden zwischen den Fronten zermahlen wie ein Bündel Papierlumpen.«
    »Achttausend flämische Tuchweber sind vor der Inquisition schon nach England geflohen. Man empfängt sie gern, denn sie sind Künstler ihres Fachs. England wird den Profit davon haben. Antwerpen liegt derweil wie tot, berichtet mein Agent, die Schiffe fliehen aus dem Hafen, man rennt als hocke die Pest in der Stadt, sogar die Huren gehen zur Messe.«
    Birckmann nickte kaum merklich, er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Lamberth Galisius, Dominikanerpater und Abgesandter des Kölner Kurfürst-Erzbischofs, kam ihm zuvor, ein hageres, unscheinbares Männlein in schlichter grauweißer Ordenstracht, dessen hervorstechendstes Talent der lautlose Gang war. Kein Wunder, denn neben anderen Geschäften gehörten die Inquisition und die Ketzerverfolgung zu seinem Aufgabengebiet. In seinen blauschimmernden Fingern balancierte er einen Silberbecher mit Ratswappen. »Nun, nun, das nenne ich ein freigeistiges Gespräch. Wohlgetan. Hier in Köln darf man es sich ja leisten. Aber für spanische Ohren klänge es nach blankem Aufruhr.«
    Er lächelte listig, die beiden Kaufleute strafften die Schultern wie zur Abwehr. Was hatte dieser elende Glaubensspitzel mitangehört?
    »Die Inquisition verhärtet die Menschen?« zitierte Galisius. »Nein, und nochmals nein, sie ist ein ganz und gar zärtliches und edles Instrument, denn sie dient der Rettung der Seelen. Die Inquisition verdirbt das Geschäft? Was für ein frevlerischer Gedanke, Mijnheer van Geldern. Unser Geschäft ist es doch, viele tausend Seelen vor der ewigen Verdammnis zu retten. Wozu sonst sollten wir hier auf Erden wandeln?«
    »Was führt Euch hierher, Pater?« fragte Birckmann mit gefährlich freundlicher Miene. »Wollt Ihr dem Gesandten eine Nachricht für den neuen Papst übermitteln? Geht es darum, ob Seine Heiligkeit unserem kurfürstlichen Erzbischof endlich seine Affirmation erteilen wird? Eine wirklich lästige Sache, wenn ein Erzbischof noch nicht in seinem Amte bestätigt ist. Es kommt noch soweit, daß Seine Heiligkeit zu Rom von Eurem hochlöblichen Herrn, dem Kurfürsten Friedrich von Wied, verlangt, sich zum Priester weihen zu lassen. Pius, so sagt man, ist streng in Fragen der Religion seiner Kirchendiener.«
    Galisius wand sich. Birckmanns Anspielungen auf die fehlenden Weihen seines Herrn waren eine Frechheit, schließlich waren die meisten seiner Vorgänger auch nicht zum Spenden der heiligen Sakramente berechtigt gewesen. Aber unter diesen Umständen, in Zeiten der katholischen Gegenreformation, konnte er das mehr weltliche Wesen seines Herrn schlecht verteidigen. Heuchelei war das Gebot der Stunde, und so lächelte Galisius süßlich, als er sagte: »Niemand kann an der Tiefe des Glaubens unseres hochlöblichen Kurfürsten zweifeln. Seine Durchlaucht geißelt täglich seinen Leib, dünn wie Papier scheint seine Haut bereits, so viele Krusten trägt sein Rücken, so roh ist sein edles Fleisch, daß er sich kaum zu setzen vermag.«
    Angewidert verzog der Mediziner Birckmann den Mund, ihm schien, als schmecke sein Speichel plötzlich nach Eisen. Diese heilige Marter hatte den Geschmack blutiger Wollust – wie die ganze Inquisition.
    Ein Mitglied der spanischen Delegation schlenderte vorbei, sein Degen schleppte auf den glasierten Bodenziegeln leise nach. Van Geldern betrachtete ihn kurz und runzelte die Stirn. Der dunkle, hübsche Kerl, dessen Wangen gegen die Mode glattrasiert waren, erinnerte ihn an jemanden. An wen nur?
    Galisius verneigte sich tief zu dem Fremden hin und verschüttete von dem Wein, der rot wie Blutstropfen auf seinen weißen Kuttenärmel fiel. Wie erfrischt wippte er wieder nach oben und fuhr – um eine Spur lauter, vielleicht um die Ohren des Spaniers zu erreichen – mit seiner Predigt fort: »Ein herrliches Werk hat Philipp im Flanderland begonnen. Er hat drei neue Erzbischöfe eingesetzt, fünfzehn Bischöfe, hundertzweiundsechzig Inquisitoren, tausend Schergen, zehntausend Denunzianten. Gute Hirten, treue Wächter des Glaubens. Was, wenn in seinem Hause jeder glauben darf, was er will? Das Land würde wimmeln von tausend Sekten. Die Erde wäre verloren für den Herrn.«
    »Und die Niederlande für Philipp«, murmelte Birckmann kaum hörbar.
    »Wie?« Galisius horchte auf und schnellte nach vorn, eine Hand an seinem rechten Ohr. »Wo wir von Sekten sprechen, werter van Geldern, was haben die Turmwächter inzwischen erfahren von

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