Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Handels, der Rhein war seine Ader. Antwerpen gesperrt, das hieße, sich rasch umzuschauen, neue Stapelplätze und Häfen für den Englandhandel zu finden. Dordrecht, solange es dort nicht gärte, sinnierte van Geldern, Emden etwa, Hamburg vielleicht. Aber die Kosten!
Vielleicht drohte von Philipp überdies eine neue Türkensteuer, die sein Vetter, Kaiser Maximilian II., im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation verkünden würde. Es hieß, die Galeeren Sulaimans planten neue Angriffe im Mittelmeer. Dann müßte man rasch eine Kommission einbestellen, um gerechte Gründe zur Verweigerung eines zu hohen Beitrags zu formulieren. Köln, eine der letzten katholischen Bastionen im Deutschen Reich, war Philipp teuer, er konnte es nicht über die Maßen bluten lassen. Nicht so, wie er es mit den Spanien direkt unterstellten siebzehn niederländischen Provinzen tat, seinem »wahren Indien«, wie die gebeutelten Flamen mit bitterem Spott fluchten, wenn sie des Königs gefräßige Kriegskasse im Kampf um den Glauben erneut zu füttern hatten.
Arndt van Geldern selbst wartete auf einige Renten und beträchtliche Anteile am peruanischen Erzschatz, die der König wie auch die Silberbergwerke von Akmaden, seine Salzlager, Monopole für Papier, Spielkarten und Sklaven längst in aller Welt verpfändet hatte. Vom Finanzsekretär Cristobal hoffte er dringend auf Nachricht über seine ausstehenden Zinsen und Gewinne.
Ein Schiffsunglück bei Oostende im vergangenen Herbst, ein mißratenes Getreidegeschäft im Baltischen und gewaltige Außenstände in London hatten seine Finanzen böse strapaziert. Schon saßen ihm Gläubiger im Nacken. Er brauchte keine windigen Wechsel, keine leeren Titel, er – schmerzlich verzog er den Mund – brauchte Geld. Ihm, vor dem Bischöfe mit einschmeichelnder Miene sich verneigt hatten, um Geld für die Edelsteine in ihrer Mitra zu erbitten, vor dem Ritter hinter aufbrausender Art ihre Furcht verborgen hatten, mit ihren Wechseln abgewiesen zu werden, ihm fehlte es an Barschaften.
Wieder grub van Geldern seine Finger in die hölzerne Stuhllehne, nicht eines Schmerzanfalls wegen, sondern um sich zu beruhigen. Es galt, die Miene des Unbeteiligten zu machen, den nichts drängt und der niemanden bedrängt. Heitere Gelassenheit kennzeichnete den Erfolgreichen, und van Geldern war geübt darin, so elegant wie ein Seiltänzer zu lächeln, so als sei der Seiltanz die natürlichste Gangart des Menschen.
In der Mitte des Saales erschien nun Bürgermeister Konstantin von Lyskirchen in hermelinbesetztem Mantel und schwergoldener Amtskette. Neben ihm ging der hochgewachsene Cristobal de Castellanos, dessen vorgebeugte Schultern den Schreibtischmann verrieten. Ein hochmütiger Spanier, der die wieselnden Ratsherren minderer Bedeutung wie wimmelndes Gewürm zu betrachten schien. Zwei Mitglieder der Waffenschmiedezunft, rotgesichtig und prall, glitten auf ihn zu und machten ihm in geradebrechtem Spanisch ihre Komplimente.
Cristobals Dolmetscher übersetzten, um die lästigen Schmeichler zu kränken, die plumpen Laute artig in reines Deutsch. Cristobal lächelte leicht verächtlich. Der Finanzsekretär der spanischen Regentin in den Niederlanden war vieler Sprachen mächtig und legte keinen Wert auf Komplimente aus ungebildetem Mund.
Van Geldern war klar, was die ungeschickten Handwerkermeister wollten: Informationen über die Freiheit des Waffenhandels in den Niederlanden. Ein heikles Thema, denn wer in Zeiten wie diesen ausgerechnet in den calvinistisch durchsetzten Niederlanden und in Nachbarschaft zum feindlichen England mit Arkebusen und Harnischen, Luntenrohren und Hellebarden sein Geschäft zu machen suchte, stand schnell im Verdacht, skrupellos an die Feinde Spaniens zu liefern. Doch genau das, überlegte van Geldern mit dem wachen Instinkt des Kaufmanns, war ein einträgliches Geschäft. Wenn ich nur Geld dazu aufbringen könnte, dann ...
»Sie sind zu eifrig«, bemerkte ein stattlicher Mann im ehrwürdigen Gelehrtenhabit, der an die Seite van Gelderns getreten war, mit leiser, dunkler Stimme. Der Kaufmann zuckte leicht zusammen, waren seine Gedanken auf seiner Stirn zu lesen? Nein, beruhigte er sich, nein, er meint die Waffenschmiede, und nickte seinem Nachbarn zu, Doktor Theodor Birckmann, Mitglied der berühmten Kölner Drucker- und Verlegerdynastie und Fürstlicher Leibarzt. »So werden sie nie erfahren, welche Erschwernisse oder Vergünstigungen die Spanier für unseren Handel erwägen. Die Lage
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