Die Voegel der Finsternis
waren Sara und Dorjan.
„Verzeiht die Störung", sagte Sara. Sie stand in ihren zerlumpten Fetzen da, als trüge sie ein Kleid so fein wie das blaue Seidenkleid von Lila.
„Ihr wollt euch schlafen legen?", fragte Maeve. Sie nickten. „Und morgen früh werdet ihr nicht mehr da sein", sagte sie traurig.
„Du weißt, wie du in den Platanenhain kommst", sagte Dorjan mit belegter Stimme. „Und ich gebe dir die Erlaubnis, dorthin zu gehen, sooft du willst" Maeve blickte von einem zum anderen. „Könnten doch eure Augen wieder so sein wie früher", sagte sie gefühlvoll. „Werden sie immer so bleiben?" „Ich glaube schon", sagte Dorjan. „Das macht nichts", sagte Sara. „Was wir gesehen und was wir erlebt haben, können wir nicht ungeschehen machen. Das geht dir doch genauso - alles ist anders geworden."
Maeve sah Jaspers Gesicht, den schlafenden Devin und nahebei die wachsamen Zinds und wusste, dass sie Recht hatte. Alles war anders geworden. Sie rannte nicht mehr vor Lord Morlen davon, versuchte nicht mehr, Sliviia zu verlassen und ihren Vater zu suchen. Sie war im Begriff, nach Slivona zurückzukehren und vor dem Kaiser zu singen, und Lord Morlen war tot. „Ich möchte mich nicht verabschieden", sagte sie und Tränen bissen ihr in den Augen.
„Das ist kein Abschied für immer", sagte Dorjan. „Ganz bestimmt nicht."
Aber dann umarmten sich alle, als wäre es wirklich ein entgültiger Abschied. Und die Zinds sahen ihnen zu und verneigten sich, wie sie sich einst vor dem Kaiser verneigt haben mochten.
33
Sara erwachte auf einer Wiese und dachte zuerst, sie schliefe noch. Doch nein, inzwischen kannte sie den Unterschied zwischen Träumen und Wachen, und dieser Ort strahlte eine Standhaftigkeit aus, wie sie nur in der körperlichen Welt existierte. Als sie den Kopf wandte, sah sie Dorjan, der sie beobachtete. In seinem Lächeln sah sie alles, was sie gemeinsam erlebt hatten, von ihrer ersten Begegnung vor der Burg der Heiler bis zum Reich der Leere und bis zu diesem Augenblick. Sie lagen auf einer Lichtung. Um sie Bäume, deren glitzernde Blätter Sara an einen weit zurückliegenden Tag erinnerten. „Wo sind wir?", fragte sie. „In der Burg der Heiler", antwortete er. „Innerhalb des siebten heiligen Kreises."
Sara vernahm einen flötenartigen Ton. Sie erhob sich und sah zum Himmel. Große Vögel näherten sich und drehten langsame Kreise über ihr. In ihrem perlweiß schillernden Gefieder brach sich das Sonnenlicht zu tausend Regenbögen.
„Die Tezzarine", sagte Sara atemlos, „sie sind zurückgekehrt."
Das Gefieder der Vögel hatte eine neue Zeichnung bekommen, die Spitzen ihrer Flügel glänzten schwarz. Dies trug zu ihrer Schönheit noch bei. Einer der Vögel ließ sich herab und hüpfte über den Boden. Sein Gefieder war versengt und ein Auge vernarbt. Sara ging zu ihm und kniete im Gras vor ihm nieder. Und als der Tezzarin diesmal seinen Schnabel zum Singen öffnete und ihre Tränen zu fließen begannen, wusste sie, dass niemand ihr sagen würde, sie solle nicht weinen.
Oberdradin Hester hatte einen Stapel von Dokumenten vor sich liegen. Der Vormittag war noch nicht einmal halb um und sie war schon mehrmals von den Arbeitern mit irgendwelchen Fragen gestört worden. Schon wieder klopfte es. Dra Jem öffnete die Tür, bevor sie ihn hereingebeten hatte. Er schien vergessen zu haben, was sich gehört. Überhaupt hatte er sich in letzter Zeit verändert. Aus dem zuverlässigen Dra war jemand geworden, der ungefragt ins Zimmer platzte. Der Zeitpunkt hätte nicht schlechter gewählt sein können. Gerade hatte Hester einen dicken Tintenfleck auf die Abrechnung gemacht, an der sie arbeitete. Einen Fleck! Sie löschte die Tinte und merkte, dass sie neu würde beginnen müssen, — ein solches Geschmiere konnte sie nicht dulden. „Was gibt es?" Sie schob die Papiere übereinander, um den Tintenfleck zu verbergen. „Neuigkeiten, Dradin."
„Was denn schon wieder?" Als hätte sie mit der Überwachung der Renovierungsarbeiten nicht genug zu tun.
„Ein Botschafter des Königs."
„Gut. Er kann dem Palast eine Nachricht überbringen", sagte Hester spitz. Sie war froh, auf diese Weise den König und die Königin vom Auftauchen ihrer Tochter benachrichtigen zu können.
Saravelda war zusammen mit diesem groß gewachsenen Ausländer, Dorjan, aus dem Burgwald gekommen. Beide hatten unvorstellbar schmutzige Kleider angehabt, die man eher als Lumpen bezeichnen musste. Keiner von beiden hatte sich
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