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Die Voegel der Finsternis

Titel: Die Voegel der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Hanley
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etwas nicht stimmt. Woher soll ich wissen, worauf ich achten soll?" „Achte einfach auf alles. Und höre auf dein Herz, wenn es dir sagt, dass du diesen Ort verlassen sollst." Torina überreichte ihr einen kleinen Beutel mit Goldstücken. „Damit kannst du, wenn nötig, immer nach Hause kommen."
    Am nächsten Morgen betrat Ellowen Mayn den Lehrsaal, wo die neuen Schüler zu ihrer ersten Unterrichtsstunde angetreten waren. Er ließ seinen Blick über die mit Büchern voll gestellten Wände schweifen. Mayn unterrichtete nicht nur Knochenheilkunde und Wundheilung, sondern war auch für den Grundlehrgang zuständig, der die Anfänger für den regulären Unterricht vorbereitete. Die neuen Schüler hinter den hölzernen Schreibpulten sahen ihn mit dem frischen, erwartungsvollen Ausdruck an, den Mayn aus vielen Jahrzehnten als Lehrer gut kannte: Es war der Eifer von Neulingen. Dieser Ausdruck würde nach längstens zwei Monaten verschwunden sein.
    Vor dem Eintreffen der Novizen hatte einer der Draden den Raum hergerichtet, jedes Staubkörnchen entfernt, Pergament und Federkiele ausgelegt. Es duftete nach Salbei, dem Kraut der Weisheit.
    Zu Mayns Überraschung hatte sich neben Sara und Dorjan auch Bern, der Neffe von Hester, eingefunden. Schüler, die die Gabe der Draden besaßen, interessierten sich selten für die Kunst des Heilens. Allerdings war Berns Gabe noch nicht offiziell benannt worden - vielleicht schlummerte ja noch ein ganz anderes Talent in ihm, auch wenn er aus einer bekannten Familie von Draden stammte. Schaden würde ihm die Teilnahme am Unterricht jedenfalls nicht.
    Die drei bildeten eine interessante Gruppe. Saras Füße tanzten unter dem Tisch, während ihr lebhafter Blick über die Bücherregale schweifte. Ihr braunes Haar sah aus, als ob ein ungeübtes Kind ohne viel Erfolg versucht hätte, Zöpfe zu flechten. Merkwürdig. Meistens wussten junge Mädchen ihre Zöpfe fest zu flechten. Sie hatte ausgeprägte Gesichtszüge und einen feinen Teint An ihrer Seite saß Dorjan. Er war ein bisschen zu groß für das Schreibpult und ein bisschen zu lang für den Schulumhang. Sein schwarzes Haar trug er kurz, aber es war nicht gleichmäßig geschnitten, als hätte er es eigenhändig mit einem Messer gestutzt. Seine Augen waren von einem ungewöhnlich tiefen Blau. Der Wundheiler überlegte, wie er Dorjans Blick deuten sollte: Er sieht aus, als wüsste er bereits, dass in der Wahrheit ein schmerzender Stachel schlummert, der ihn aufspießen wird wie die Nadel den Falter.
    Auf Saras anderer Seite saß der hübsche Neffe von Dradin Hester. Er benahm sich ganz wie ein gewöhnlicher Jugendlicher, scherzte mit seiner Nachbarin und schmeichelte ihr.
    Mayn räusperte sich. „Unsere Stunde heute handelt vom Gen. Taucht eure Federkiele ein." Mayn beobachtete, auf welch unterschiedliche Art und Weise die Schüler seiner Anweisung folgten. Sara tauchte ihren Federkiel schwungvoll ein und unterließ es, die überschüssige Tinte abzuwischen, sodass Tinte auf ihr Pergament kleckste. Dorjan schien seiner Feder kaum Beachtung zu schenken, doch schrieb er in zügigen Linien. Und Berns Buchstaben häuften sich dicht aufeinander, ohne dass er unnötig Tinte verschwendete. „Gen bezeichnet jenes kostbare, geheimnisvolle Prinzip, aus dem Leben entsteht", erklärte Mayn und breitete seine Arme aus. „Jeder von uns besitzt sein eigenes Gen.
    Ist es stark und harmonisch, erzeugt es Glück und Gesundheit. Das Gen zu entwickeln ist etwas, das jeder Heiler unabhängig von seiner Gabe lernt. Ein wesentlicher Teil unserer Tätigkeit besteht in der Weiterentwicklung des Gen."
    Drei Federkiele kratzten bei seinen Worten über Pergament „Stellt euch das Gen als den Lebenssaft des Geistes vor. Es durchströmt uns und regt uns Zeit unseres Lebens an. Der Mensch ist gesund, wenn Gen im Überfluss vorhanden ist"
    Die Schüler schwiegen einen Augenblick, dann fragte Sara: „Ist Gen immer etwas Gutes?" Mayn hatte nicht beabsichtigt, an diesem Tag schon die weitergehenden Aspekte des Themas auszuführen. „Nein", antwortete er, „Gen kann auch verdorben werden. Das ist auch der Grund, warum nur die Auserwählten hier studieren dürfen, denn alle Heiler lernen, wie sie ihr Gen weiterentwickeln können." „Verdorben? Was heißt das?", fragte Sara. Mayn schritt vor der Klasse auf und ab, dann sah er aus dem Fenster zu den Gärten hinüber. Vor Saras Pult blieb er stehen. „Kennst du irgendeinen Mann oder eine Frau, die viel Macht besitzt,

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