Die Voegel der Finsternis
Prinzessin Saravelda ist." Hester nickte kampfbereit. Bestimmt wollte die Königin, dass ihrer Tochter eine bestimmte Gabe zugesprochen wurde. „Wir grüßen Euch, Königin Torina", sagte sie und deutete auf vier Stühle. „Bitte nehmt Platz." Sie setzten sich und die Königin begann: „Ich habe Euch nicht aus Neugier oder aus Höflichkeit aufgesucht, auch nicht, um über meine Tochter zu sprechen."
Hester runzelte überrascht die Stirn, dann glättete sich ihr Gesicht zu einem Lächeln. „Was führt Euch zu uns, Hoheit?"
„Wie Ihr vielleicht wisst, besitze ich eine Gabe, wenn auch nicht die einer Heilerin."
Nur zu. Nennt Euch die Große Seherin. Wir wissen, dass König Kareed von Archeid, Euer Vater, Bellandras Kristallkugel stahl, als er unser friedliches Land überfiel. Die Königin holte Atem. „Als ich an diesen Ort kam, hatte ich eine Vorahnung von Gefahr. Doch als ich meinen Kristall befragte, bekam ich keine Antwort." Desak schüttelte wohlwollend den Kopf. Es gelang dem alten Mann immer, so auszusehen, als gewähre er eine Gunst, selbst dann, wenn er sie verweigerte. „Verzeiht, Königin. Ich dachte, als Seherin wüsstet Ihr, dass Ihr an diesem Ort keine Visionen erhaltet. Auch werdet Ihr nichts über die Burg erfahren, wenn Ihr wieder fort seid." „Wie ist das möglich?" Auf den Wangen der Königin erschienen Flecken, rot wie ihr Haar. „Wir Ellowen belegen diesen Ort mit einem Zauber der Unsichtbarkeit. Die Pflege dieses Zaubers gehört ebenso zu unserer Ausbildung wie die Versiegelung unserer Tore und die Pflege der Kreise im heiligen Wald." „Und was genau bedeutet Zauber der Unsichtbarkeit?"
„Er stellt einen Schutzwall dar, der uns vor Störungen der Außenwelt abschirmt." Desak lächelte die Königin väterlich an. Dieser Gesichtsausdruck brachte Hester gewöhnlich zum Rasen, doch diesmal fand sie Vergnügen daran. „Der einfache Zauber der Unsichtbarkeit betrifft auch alle Hellseher", fuhr Desak fort. „Er bewirkt, dass die Burg nicht so mächtig erscheint, wie sie in Wirklichkeit ist" Desak legte die Spitzen seiner Zeigefinger zusammen, eine typische Geste, wenn er Vorträge hielt; Zufrieden beobachtete Hester, wie er die Königin belehrte. „Der Zauber der Unsichtbarkeit kann auch verstärkt werden", fuhr er fort. „Als Bellandra von Archeid überfallen wurde, Königin, warnte uns die Große Seherin Maria. Daraufhin verdoppelten wir den Zauber, was uns für die Truppen von Archeid gänzlich unsichtbar machte. Fast zehn fahre lang suchten die Soldaten nach uns, denn sie wollten unsere Heiler in den Dienst des Bösen stellen." Soldaten aus Archeid, die von Eurem Vater Kareed und seinem Nachfolger Vesputo befehligt wurden. „Doch sie entdeckten uns nicht. Näherten
sie sich den Mauern der Burg, sahen sie nur zerfallene Ruinen."
„Ihr habt eine ganze Generation von Heilem verloren", sagte die Königin ruhig, „vielleicht gingt Ihr zu weit" „Wir beschützten unsere Burg. Unsere Aufgaben bestehen fort", erwiderte Desak.
„Dann liegt über diesem Ort immer ein Zauber der Unsichtbarkeit, den Ihr, die Ellowen, bewirkt habt?" Ja, Königin. Jetzt natürlich nur der einfache Zauber. Niemand kann ihn durchdringen." „Ich verstehe." Das Gesicht der Königin war gerötet, trotzdem sprach sie ruhig weiter. „Würdet Ihr bitte den Zauber aufheben, damit ich sehen kann, welche Gefahr Euch droht?"
„Das kommt nicht infrage!", fiel Hester ein. Die Draden hatten die Aufgabe, über die Gesetze der Burg zu wachen. Als Oberdradin hatte Hester in dieser Angelegenheit das letzte Wort. „Nach dem Gesetz dürfen wir das nicht, meine Königin, für niemanden." Ellowen Renaiya rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Dieses eine Mal wird niemandem schaden", wandte sie ein. „Vielleicht kann sie herausfinden, wieso unsere ..."
„Nein." Hester sah Renaiya tadelnd an. „Das müssen die Draden entscheiden, Ellowen." Sie hob warnend die Hand. „Die Burg der Heiler hat ihre eigenen, uralten Gesetze. Wir beugen uns keiner Herrschaft." Auch nicht der des Königs und vor allem nicht der einer falschen
Königin, die sich für eine Große Seherin hält. „Unsere Gesetze sind älter als das Geschlecht der Könige von Bellandra."
„Ich hoffe", sagte die Königin, „dass Ihr mir meine Bitte nicht deshalb verweigert, weil Ihr mich für Taten meines Vaters verantwortlich macht, als ich ein Kind von neuen Jahren war? Wollt Ihr mich wegen eines haltlosen Vorurteils davon abhalten, Euch
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