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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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immer, wenn es Bryan unbehaglich zumute
war, fühlte er sich zugleich gequält und bezaubert durch die Vision einer
Susan, nicht silbern, sondern golden, nicht kühl, sondern warm; einer Susan,
die zu erwecken und zum Blühen zu bringen er sich durchaus fähig fühlte — wenn
nur die „silberne“ Susan es zulassen würde...
    „Warum hast du das nach dem Essen
gesagt?“ fragte Susan unvermittelt.
    „Was gesagt, Liebling?“
    „Daß es dir egal sei, wie schmutzig das
Geld ist, wenn du nur etwas davon hast.“
    Bryan grinste. Er wußte genau, warum er
es gesagt hatte: um Julia aufzubringen, weil er das bestimmte Gefühl hatte, daß
mit ihrem Gelde irgend etwas nicht stimmte. Obwohl er sich über die
Einzelheiten ihres „Spazierganges“ am vorhergehenden Nachmittag im unklaren
war, hatte er mit seiner Annahme, daß sie sich auf eine nicht gerade damenhafte
Weise Geld verschafft haben mußte, überraschend richtig getippt, ohne daß diese
Vermutung ihm den Appetit verdorben hätte. Aber er teilte auch Julias Meinung,
daß Susan anders darüber denken würde.
    „Ach das! Ich weiß wirklich nicht“,
sagte er leichthin. „Wahrscheinlich nur, um irgend etwas zu sagen.“
    „Ich wollte, du hättest es nicht getan“,
entgegnete Susan mit gerunzelter Stirn. „Wenn du dir nichts dabei gedacht hast,
war es einfach albern, und wenn doch, dann war es sehr häßlich von dir.“
    „Na schön, dann war ich eben albern“,
gab Bryan gutwillig zu. „Laß uns doch querdurch gehen.“ Er wollte gern von der
Landstraße weg und im Schatten der Bäume zwischen den Hecken entlanggehen, da
er die fest eingewurzelte männliche Überzeugung hatte, daß man jedes weibliche
Argument am besten durch Küsse zum Schweigen brachte.
    Es überraschte ihn eigentlich etwas,
daß Susan zustimmend nickte. Sie bogen in einen der Feldwege ein, der sich
rechts zu einem kleinen Hügel hinaufschlängelte. Auf seiner Höhe erhob sich das
Gerüst einer neuen Villa, deren Bau eingestellt worden war, weil der voreilige
Architekt zu spät herausgefunden hatte, daß es dort oben kein Wasser gab. Muß
das ein Idiot gewesen sein, dachte Susan. Sie hatte keine Geduld mit Leuten,
die alles unüberlegt taten — die sich nur von der schönen Aussicht verleiten
ließen, ohne an die Wasserversorgung zu denken; und da sie jetzt sozusagen
selbst im Begriff war, sich vom Vorhandensein einer Wasserversorgung zu
vergewissern, erwiderte sie Bryans Händedruck nicht. Daß er sie mit der schönen
Aussicht versorgen konnte, wußte sie bereits.
    „Du bist doch sonst nicht so albern“,
sagte sie ernst, „und so etwas ärgert mich eben, Bryan. Diese gedankenlosen
Bemerkungen, die du so oft machst.“
    Er ließ ihre Hand los und blickte sich
verzweifelt um. „Liebling, wenn du jedes Wort, das ich sage, auf die Waagschale
legen willst...“
    „Du weißt, daß ich das nicht tue, es
wäre mir gräßlich.“
    oder erwartest du vielleicht, daß ich
die ganze Zeit so
    rede, als ob ich unter Eid stünde?“
    „So meine ich es doch gar nicht“, rief
Susan. „Das ist es doch nicht!“
    „Dann kann ich nur sagen“, schloß Bryan
ärgerlich, „ich finde, daß du immer gleich aus einer Mücke einen Elefanten
machst.“
    Erschrocken verstummten sie beide. Aber
Bryan, der es sich so oft gewünscht hatte, solch eine Szene heraufzubeschwören,
empfand diesen Augenblick nicht ohne eine gewisse Befriedigung. Er genoß aus
vollem Herzen das Vergnügen, sich von seiner ärgerlichen Stimmung mitreißen zu
lassen. Er genoß den verstörten Ausdruck in Susans weitaufgerissenen Augen und
die plötzliche Blässe, die ihr Gesicht überzog. Dann ebbte die Erregung ab, und
das Herz wurde ihm schwer.
    „Susan — Liebling —“
    „Schon gut“, sagte Susan ruhig. Sie
hatte sich auch wieder in der Gewalt, sie vermochte es sogar, seinem flehenden
Blick mit einem Lächeln zu begegnen. „Es ist nur — wenn du in diesen Dingen so
ganz anders denkst und fühlst wie ich — scheint alles so hoffnungslos.“
    „Nichts ist hoffnungslos, wenn du nur
zu mir hältst“, sagte Bryan innig. Er meinte es auch so. Seine Reue war so
groß, daß er zu jedem Opfer bereit war, ja, mehr noch, auch jede Mühe auf sich
nehmen wollte, um nur ihre Verzeihung wiederzuerlangen. Susan wandte den Kopf
fort. Auch sie unterzog sich einer genauen Selbstprüfung.
    „Ich weiß, Julia hält mich für einen
Snob“, sagte sie leise.
    „Zum Kuckuck mit Julia!“
    Aus irgendeinem Grunde entspannten sich
Susans

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