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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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gemacht“,
sagte Julia.
    Bryan sah sie forschend an, fragte aber
nicht, wohin sie gegangen sei. Julia hatte auch gar nicht das Bedürfnis, ausgefragt
zu werden, aber aus irgendeinem Grunde ärgerte sie sich über sein mangelndes
Interesse.
    „Und?“ sagte sie kurz.
    Bryan starrte sie nur an. „Sie sehen
genau so aus“, sagte er nachdenklich, „wie eine Katze, die soeben den
Kanarienvogel verspeist hat.“
    Julia sah ihn sprachlos an.
    „Und ich bezweifle“, fuhr dieser
widerwärtig hellsichtige junge Mann fort, „daß er Ihnen bekommen wird.“
    Julia brachte es gerade noch fertig,
ihr Zimmer zu erreichen, und dann fluchte sie ausgiebig.
     
     
     

13
     
    W enn Julia nach einer Pechsträhne wieder
über Geld verfügte, gab sie eine Gesellschaft. So kam es, daß Mr. Rickaby am nächsten
Tag, einem von Susans Einkaufstagen, bei dem zweiten gemeinsamen Lunch im
Pernollet den unfreiwilligen Gastgeber spielte. „Heute seid ihr einmal meine
Gäste“, verkündete Julia fröhlich, und anderthalb Stunden lang genoß sie die
Situation. Als sie jedoch im Begriff war, die Rechnung zu bezahlen, bekam sie
einen Schreck.
    „Was für ein schöner, sauberer Schein“,
bemerkte Susan, ohne sich irgend etwas dabei zu denken.
    Julia fuhr zusammen. Die
Fünfhundertfrancsnote sah wirklich sehr neu und unberührt aus, als ob sie
direkt aus der Bank käme. Es war ziemlich unwahrscheinlich, daß Mr. Rickaby
sich die Nummer aufgeschrieben hatte; aber angenommen, er hatte es getan — wenn
ihm der Geldschein nun wieder in die Hände geriet und er die Spur weiter
verfolgte...
    Er wird bestimmt nichts dergleichen
tun, beruhigte Julia sich selbst. Er wird höchstens denken, daß ich
phantastischen Hunger gehabt haben muß... Aber kaum hatte sich die eine Furcht
gelegt, überkam sie eine andere — es fiel ihr plötzlich ein, daß es Susan nicht
gerade angenehm sein würde, zu erfahren, daß eigentlich Mr. Rickaby für ihr
Essen bezahlt hatte. Natürlich würde Susan das nie erfahren — aber wenn sie es
wüßte! Bei dem bloßen Gedanken daran wurde es Julia ganz heiß. Laut, und ohne
sich ihres Zögerns bewußt zu sein, sagte sie: „Ich bekam ihn in London, ich
finde schmutziges Geld gräßlich.“
    „Schmutziges Geld ist auch Geld“, sagte
Bryan in ebenso gleichgültigem Ton wie Susan, aber mit einem wachen Ausdruck in
den Augen. „Meinetwegen könnte das Geld so schmutzig sein, wie es wollte, wenn
es nur für dieses köstliche Essen in Zahlung genommen wird. Gott weiß, daß ich
für jedes Geschenk aufrichtig dankbar bin!“
    Susan, die bereits aufgestanden war und
darauf wartete, daß ihre Großmutter sich erhob, öffnete den Mund wie zu einer
Entgegnung, besann sich dann aber und schwieg. Offensichtlich hatte sie Bryan
eine Vorlesung halten wollen, und um Bryan eins auszuwischen, beschloß Julia,
ihr sogleich eine Gelegenheit dafür zu geben.
    „Ihr beiden jungen Leute solltet zu Fuß
zurückgehen“, sagte sie energisch. „Es ist nicht mehr so heiß, und die Bewegung
wird euch guttun.“
    „Ja“, rief Susan lebhaft, „das wollte
ich auch gerade Vorschlägen. Kommst du, Bryan?“
    Er sah Julia an, begegnete einem
eisigen Blick und fügte sich ins Unvermeidliche. Als Julia nach Mrs. Packett in
das Auto stieg, sah sie, wie das junge Paar in die Promenade einbog und
unnatürlich schnell auszuschreiten begann.
     
    *
     
    „Laß uns ein bißchen verschnaufen und
einen Schluck Bier trinken“, sagte Bryan, als sie an dem großen Café angelangt
waren.
    „Warum denn? Du kannst unmöglich so
kurz nach dem Lunch schon wieder etwas trinken wollen“, sprach Susan
vernünftig.
    „Ich will nicht, ich möchte nur gern“,
erklärte Bryan.
    Susan antwortete nicht, sondern ging
ungerührt weiter. Sie war nicht zum Scherzen aufgelegt. Bryan, der sie von der
Seite ansah, machte die Entdeckung und fand es schade, daß ihr Profil am besten
zur Geltung kam, wenn sie den Mund so fest geschlossen hielt wie eben jetzt.
Wie verschieden war dieser Mund von dem Julias mit seiner vollen Unterlippe und
den tiefen Mundwinkeln! Wie unähnlich war sie ihrer Mutter überhaupt, diese
schlanke junge Amazone, die da so unbeirrt dahinschritt, ohne im geringsten von
den bewundernden Blicken Notiz zu nehmen, die ihre silberblonde angelsächsische
Schönheit auf sich zog. Wenn doch nur die Julia in ihr — sicherlich mußte eine
Mutter, die so unglaublich vital war, ihrer Tochter irgend etwas davon vererbt
haben — erweckt werden könnte! Und wie

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