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Die vollkommene Lady

Die vollkommene Lady

Titel: Die vollkommene Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margery Sharp
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klug.“
    „Sieht er gut aus?“
    „Na ja, ich glaube schon; ein bißchen
verhungert vielleicht. Ungefähr so wie ein viktorianischer Pfarrer, der
Anarchist geworden ist.“
    Julia seufzte, halb bedauernd, halb
erleichtert. Der junge Mann schien ihr zwar ziemlich grauenhaft zu sein, aber
er hatte all die Eigenschaften, die Susan schätzte. Schade, daß er so weit weg
war...
    „Ich muß dich warnen“, fügte Sir
William hinzu. „Als Vormund von Susan würde ich entschieden protestieren. Wenn
er je auf zweihundert Pfund im Jahr kommt, dann ist das auch seine
Höchstgrenze.“
    Susans Mutter lächelte gutmütig. Sie
wußte genau: wenn sie und Susan sich etwas in den Kopf gesetzt hatten, waren
Sir Williams Chancen nicht groß.
     
    *
     
    Obgleich Julia in diesen geschäftigen
Tagen im Vergleich zu ihrer Tochter und Schwiegermutter vollständig müßig zu
gehen schien, so war das doch eben nur scheinbar. Sie hatte eine ständige
heimliche Beschäftigung. Sie führte sich gut auf.
    Sie hatte sich oft anständig aufführen
wollen. Sie hegte eine große Bewunderung für gutes Benehmen. Sie liebte es von
Herzen und voller Bescheidenheit, wie ein Bauer seinen Heiligen liebt. Daß sie
sich bisher so selten gut aufgeführt hatte, lag nicht an ihrem willigen Geist,
sondern an ihrem ungewöhnlich schwachen Fleisch. Sie brauchte eine Stütze — sie
konnte nicht stark genug sein. Und da ihr diese Stütze jetzt aus ihrem eigenen
Innern erwuchs, aus ihrer Liebe zu Sir William, war Julia nicht zu stolz, um
sie zurückzuweisen.
    Ob Sir William sie wiederliebte, wußte
sie noch nicht ganz sicher. Aber er mochte sie zumindest gern, und sie hätte
den Gedanken nicht ertragen können, daß er etwas Unwürdiges gern hatte. Sie
wußte jetzt, was sie dazu getrieben hatte, Mr. Rickaby das Geld
zurückzuschicken; es war ihr erster instinktiver Schritt in der neuen Richtung.
Wenn Julia — die neue Julia — an ihr Benehmen in Aix dachte, dann packte sie
das Gewissen so stark, daß sie manchmal glaubte, zu viel gegessen zu haben; und
sie fand dann Trost in dem Gedanken, daß nur wahrhafte Reue eine so heftige
Wirkung haben könnte. Wahrhafte Reue — das genügte. Dann wurde einem verziehen,
und man konnte von vorne anfangen. Julia wünschte von Herzen, sie wäre
katholisch, dann könnte sie eine Riesenbeichte ablegen, über alles, lückenlos,
und man würde ihr sagen, daß nun alles wieder gut sei. Sie wußte, daß sie das
alles eigentlich von sich aus, aus ihrem wahren Glauben hätte erledigen müssen;
aber sie wollte es hören. Vielleicht müßte sie dann Buße tun, ein härenes
Gewand tragen zum Beispiel; nichts hätte Julia mehr Spaß gemacht. Zucker hatte
sie sowieso seit langem nicht mehr in ihren Tee und Kaffee getan. Und sie
prüfte gewissenhaft und sorgfältig ihr sündiges Herz.
    Es war gar nicht so schlecht, fand
Julia bei näherem Nachdenken. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals wirklich
unfreundlich zu irgend jemand gewesen zu sein oder gemein gegen eine andere
Frau. Sie hatte die Männer nicht ausgenommen. Ihre beiden großen Fehler waren:
nicht in Barton geblieben zu sein und — und die verschiedenen Mr. Macdermots.
Das waren schwarze Fehler. Aber ich bereue, rief Julia sich selbst zu. Ich
werde es nie wieder tun ! Und sie faßte einen großen, einen
seelenerschütternden Entschluß: wenn es nichts mit Sir William würde, dann
würde sie Mrs. Packett alles erzählen, sogar wie sie ihr Geld verloren hatte,
und bitten, ihr Leben auf Barton beschließen zu dürfen.
    Julia betrachtete diese Aussicht nicht
gerade mit Freude. Aber dazu war sie auch noch nicht lange genug ein neuer, ein
guter Mensch geworden.
     
     
     

19
     
    D er nächste Nachmittag sah Julia in
einer ganz absurden Mißstimmung, weil Sir William nicht zum Tee dasein würde.
Er wollte Susan nach Belley hinüberfahren, um ein paar Bücher abzuholen, die
sie dort im Buchladen bestellt hatte. Das Ganze hätte keine zwanzig Minuten
gedauert, wenn nicht Mrs. Packett, gerade als sie losfahren wollten und Julia
die Einladung, mitzukommen, abgelehnt hatte, höchst überflüssigerweise
vorgeschlagen hätte, daß sie in Belley zum Tee bleiben sollten. Das hieß, daß
Sir William wenigstens eine Stunde fort sein würde, und Julia, die es zu
auffällig gefunden hätte, wenn sie so plötzlich ihren Entschluß änderte, hatte
seitdem von dem Gefühl nicht loskommen können, daß ihr ein Unrecht zugefügt
worden sei. Ein idiotisches Gefühl, das wußte sie wohl; aber die

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