Die vollkommene Lady
danach in
Korrespondenz mit einer Anzahl ältlicher Fräuleins, die in der Zeitschrift „Lady“
stille oder andere Teilhaber mit Kapital suchten. Einige von ihnen antworteten
telegrafisch: „Angebot nur noch zwei Tage“ oder „Viele Angebote. Abschließet
unverzüglich“ und hofften auf diese kindlich harmlose Weise Julia in ihre Teestuben
locken zu können. Mrs. Packett, die sich königlich amüsierte, telegrafierte
daraufhin an sämtliche Aspiranten auf Julias Mitgliedschaft: „Nein. Sendet
detaillierte Unterlagen und Monatsbilanz“; und dann kamen die Unterlagen, und
Sir William mußte sie prüfen.
„Scheußlich“, bestätigte Julia ihm
düster, „aber was soll ich tun? Ich kann ihr doch nicht erzählen...“
„Nein, eben“, sagte Sir William und sah
von der höchst verwickelten Monatsbilanz des „Summenden Samowars“ auf. „Aber
solche Ferienunterhaltung könnte ich ebensogut in der City im Geschäft haben,
wenn ich sie haben wollte.“
„Könnte Bryan es nicht für dich tun?“
„Er kann nicht rechnen. Außerdem hat
Susan ihn schon eingespannt, um die Statuten für die Mitglieder aufzusetzen.“
Julia seufzte. So ungern sie es auch zugeben mochte — aber dadurch, daß sie und
Sir William und Bryan sich instinktiv zu einer passiven Widerstand leistenden
Minorität zusammengefunden hatten, war unversehens noch eine Gemeinschaftlichkeit
zwischen ihr und diesem höchst unsympathischen jungen Mann entstanden. Die
Minorität war übrigens nur eine moralische, denn zahlenmäßig war sie Susan und
ihrer Großmutter überlegen. Aber die beiden waren Packetts. Julia verabscheute
ihren Tatendrang, während ihr Respekt für die Familie ihres Mannes nie größer
gewesen war.
„Hier kommt Susan“, sagte Julia
plötzlich. „Gib mir schnell etwas her, ich muß beschäftigt aussehen.“
Susan war indessen diesmal nicht auf
der Suche nach Mitarbeitern; sie wollte nur Mr. Bellamys Privatadresse
erfahren.
„Ich dachte, ich schreibe ihm lieber
direkt, Onkel William“, sagte sie. „Wenn er irgendeinen von meinen Vorschlägen
verwenden will, kann er ihn mit seinen eigenen Plänen zusammen verarbeiten. Es
hat keinen Zweck, einem Komitee zwei verschiedene Fassungen zu unterbreiten;
das gibt doch nur ein großes Hinundhergerede.“
Sir William betrachtete sie mit starkem
Mißtrauen.
„Großartig“, sagte er. „Du hast doch
nicht etwa Bacon gelesen?“
Susan lachte. „Ach, ich weiß nicht. Er
verstand es ja, durchzusetzen, was er getan haben wollte. Aber im großen und
ganzen kann man ihn eigentlich nicht billigen.“
Sir William blätterte in seinem
Notizbuch, fand Mr. Bellamys Adresse und schrieb sie für Susan auf. Sie blieb
nicht eine Sekunde länger als nötig und verließ das Zimmer, wie sie gekommen
war, energisch und geschäftig. Julia und Sir William ließen ihre Arbeit einen
Augenblick ruhen, um ihr nachsehen zu können.
„Sie billigt Bacon nicht“, sagte Sir
William schließlich. „Wenn er hier wäre, würde sie es ihm auch ins Gesicht
sagen. Und sie hat recht, selbstverständlich.“
„Sie hat immer recht“, sagte Julia. Es
war wunderbar, eine Tochter zu haben, die immer im Recht war, aber selbst Julia
fand, daß das Lob nicht den rechten Klang gehabt hatte, wie ihre nächsten Worte
bewiesen. „Susan ist wirklich süß“, sagte Julia.
Sir William vertiefte sich wieder in
seine Papiere.
*
Das dritte und jüngste Mitglied der
Minorität, Bryan Relton, hatte es noch schwerer als seine beiden älteren
Leidensgenossen. Wie für Julia war auch für ihn die ursprüngliche Atmosphäre in
Les Sapins wie geschaffen gewesen, und der kalte Wind der Geschäftigkeit, der
unerwartet aufgekommen war, stärkte und erfrischte ihn nicht, er ließ ihn nur
erschauern. Julia konnte sich wenigstens an ihrer Freundschaft mit Sir William
erwärmen. Bryan fühlte sich in Wind und Wetter ausgesperrt. Als Susan ihm das
erstemal von ihrem neuen Spielzeug erzählt hatte, war er voll Verständnis und
Interesse gewesen. Wenn ihr so was wirklich Spaß macht, dachte er, bitte schön,
soll sie die regnerischen Nachmittage damit verbringen. Aber es hörte ja nicht
auf! Susan hatte ja nie einen anderen Gedanken im Kopf. Sie war natürlich zu
gewissenhaft, um ihre Collegearbeiten zu vernachlässigen; aber kaum waren die
getan, schaltete sie auf East-End um.
„Aber es handelt sich ja gar nicht um
East-End“, sagte Susan einmal, als ihr Liebhaber sich wieder beklagte. „India
Dock Lane!“ Und sie
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